NADAV KANDER

Nadav Kander
Nadav Kander (*1961 in Tel Aviv) lebt und arbeitet in London. Seit den 1980er-Jahren professionell als Fotograf tätig, u. a. für Zeitschriften wie The Sunday Times Magazine, Rolling Stone, Esquire, Another Man, Dazed & Confused und The New York Times Magazine. 2009 Prix Pictet für seine Serie Yangtze, The Long River sowie Ernennung zum International Photographer of the Year im Rahmen der Lucie Awards.

 

Zeugnisse unserer Zeit: prägnante Porträts und melancholische Landschaften

»Das überwältigende Gefühl, das Kander mit seinen Fotografien der historischen Veränderung am Jangtse auslöst, ist Nostalgie ...« ⸺ Jean-Paul Tchang
»I am interested in how man affects his surroundings, what is left behind often tells us more about ourselves than if we were present ...« ⸺ Nadav Kander

Nadav Kander, der in Johannesburg aufwuchs, entdeckte bereits mit 13 Jahren seine Passion für die Fotografie. Während seines Militärdienstes entwickelte er Luftaufnahmen für die South African Air Force und begann anschließend eine Karriere als Fotograf, die ihn 1986 nach London führte. Mit Aufnahmen für äußerst erfolgreiche Werbekampagnen und Aufträgen für renommierte Zeitschriften, für die er vor allem namhafte Persönlichkeiten aus Politik, Sport und Popkultur porträtierte, zählt Kander inzwischen zu den anerkanntesten und erfolgreichsten Vertretern seiner Zunft.

Für das Magazin der New York Times fotografierte er die Serie Obama’s People, die in einer Sonderausgabe am 18. Januar 2009 veröffentlicht wurde. Die 53 prägnanten Farbaufnahmen zeigen die Mitglieder des Mitarbeiterstabs von Barack Obama. Neben bekannten Politikern wie Außenministerin Hillary Clinton oder Stabschef Rahm Emanuel sind auch die engsten Vertrauten und langjährigen Weggefährten des US-Präsidenten zu sehen. Kander hat sie vor immer demselben neutralen Hintergrund, jedoch in unterschiedlichen Ausschnitten und Posen, mal mit und mal ohne Attribute porträtiert. In der Abfolge der Bilder ergibt sich so eine subtile Dynamik, und die Dargestellten erscheinen innerhalb des offiziellen Rahmens sympathisch und menschlich: »Die Persönlichkeiten bilden zusammen betrachtet ein Spiegelbild der öffentlichen Rezeption Barack Obamas. Sie verkörpern einen modernen politischen Stil [und] stehen sinnbildlich für die Annäherung des amerikanischen Machtzentrums an die Gesellschaft …« (Faltblatt zur Ausstellung im Museum The Kennedys, Berlin, 2010)

Neben dem Porträt ist ein weiterer Schwerpunkt in Kanders Werk Städten und Landschaften gewidmet, Orten, an denen Menschen sichtbar ihre Spuren hinterlassen haben. 2006/07 bereiste der Fotograf den mächtigsten Strom Chinas, den Jangtse, von der Mündung bis zum Quellgebiet, um die rasante Entwicklung des Reichs der Mitte hin zu einem modernen Industriestaat am Beispiel des Flusses festzuhalten. Kanders melancholische Bilder in gedämpften Farben zeigen zum einen die noch erhaltene eindrucksvolle Landschaft am Jangtse, sie führen aber vor allem die Verschmutzung und unaufhaltsame Veränderung und Zerstörung des Flusses und seiner Ufer vor Augen. Winzig klein und machtlos stehen die Menschen den gigantischen neuen Brückenkonstruktionen und Architekturen westlichen Stils gegenüber, die die traditionellen alten Gebäude und Hausboote verdrängen. In Kanders Serie wird der Jangtse zum Symbol für den hohen Preis, den China für die forciert vorangetriebene Umwälzung des Landes im Namen des Fortschritts zahlt: Gewaltsam löscht es seine historischen, kulturellen und spirituellen Traditionen unwiederbringlich aus und fügt Mensch und Natur großen Schaden zu. Eine Momentaufnahme dieses Umbruchs sehen wir in Kanders bestürzend schönen Fotografien, die man so nie wieder wird machen können.

veröffentlicht am 6.9.2010 – Anja Breloh
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Veröffentlicht am: 06.09.2010