MICHAËL BORREMANS

Künstler und Filmemacher, Michaël Borremans (*1963) lebt und arbeitet in Gent. Dort studierte er der flämischen Hoogeschool voor Kunst en Wetenschappen Sint-Lucas. Obwohl er als Fotograf ausgebildet wurde, wandte er sich Mitte der 1990er-Jahre der Zeichnung und der Malerei zu. 

Star der jungen figurativen Malerei

»Die Sphinx aus Gent« ⸺ AD Architectural Digest

Der Belgier Michaël Borremans wird als neuer Star der jungen figurativen Malerei gefeiert. Obwohl ursprünglich zum Fotografen und Grafikdesigner ausgebildet, hat er sich zunächst mit seinen düsteren Zeichnungen und rätselhaften Gemälden international einen Namen gemacht. Die auffallend virtuos ausgeführten, in zurückhaltenden Farben gehaltenen Gemälde zeigen meist einzelne Figuren oder kleine Gruppen, die sehr konzentriert und mit betonter Gestik agieren. Was die Protagonisten der Bilder tun, bleibt verborgen. Alles scheint in eine drückende Zeitlosigkeit getaucht und die Handlungen der Figuren wirken sinnlos. Man erkennt den durchaus ironischen Kommentar des Malers auf bürgerliche Normierungen und Zwänge. Vorlagen und Einflüsse für seine komplexen und faszinierenden Arbeiten findet Borremans in alten Fotografien, Zeitschriften, bekannten TV-Serien wie in der Literatur. Diese disparaten Elemente führt er, in einer mit Joseph Cornell vergleichbaren Art und Weise, in seine intimen und poetischen Tableaux zusammen. Für Borremans ist »ein Gemälde kein unbewegliches Bild: Es bewegt sich, es hat eine Präsenz.«

Seit 2005 arbeitet Borremans mit Film. Es sind sich langsam verändernde Tableaux vivants mit poetischen Titeln, in denen durch kaum merkliche Kamerabewegungen langsam eine bedrückende Atmosphäre aufgebaut wird. Der Bezug zu seinen Bildern ist dabei unverkennbar. Mit fester Kameraposition oder durch langsames Zoomen isoliert er die Aufmerksamkeit jeweils auf Teile der Szenerie, auf Körperteile, Gesichter oder Kleidungsstücke. Es bleibt unklar, wer diese Menschen sind oder was genau sie tun. Wie in seinen Gemälden bewegen sich auch die Akteure in Borremans Filmen auf einer dünnen Linie zwischen der wieder erkennbaren Realität des Alltags und einer bizarren Traumwelt.

So verführerisch die Werke in ihrer Ästhetik sind, so irritierend und kaum entschlüsselbar wirken ihre Inhalte. Das filmische, malerische und zeichnerische Werk eint eine Form der Betrachterüberwältigung durch Entschleunigung, Präzision und Sog. In seinen verführerischen Arbeiten schafft er überzeitliche Bilder von innerer Getriebenheit und äußerer Macht, vom latenten Druck, Mensch zu sein. Hinter einem Schleier stilistischer Makellosigkeit simuliert Borremans durch die bewusste Setzung von Fehlern und Unschärfen gängige Rituale von Lesbarkeit und Sinn. Seine atmosphärisch hochgradig aufgeladenen Bilder sind Vexierspiele mit politischen und psychologischen Mustern der Weltwahrnehmung, die camouflageartig und fragil zwischen erbarmungslosem Realismus und nebulöser Distanzierung pendeln.

veröffentlicht am 30.7.2010 – Caroline Schilling
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Veröffentlicht am: 30.07.2010