JOAN JONAS

Joan Jonas
Die US-amerikanische Künstlerin Joan Jonas wurde 1936 in New York City geboren. Sie gilt als wegweisend für die Performance und Videokunst. Jonas wuchs in New York auf, studierte 1954-58 zunächst Kunstgeschichte am Mount Holyoke College. 1958-61 folgte ein Studium der Bildhauerei an der Boston Museum School und 1961-64 das Studium der Malerei an der New Yorker Columbia University. Ihre frühen Werke Anfang der 1960er Jahre in New York waren beeinflusst durch die non-linearen Arbeiten von John Cage und Claes Oldenburg. Sie war mehrfach auf der Documenta und der Biennale in Venedig vertreten.

Spiegel im Spiegel

»I also felt a desire to work outside the conventional spaces of museums, galleries, and theaters, and to question the point of view of the audience.I step in and out of my work in order to direct its perception. Other references for me, as I thought about the nature of illusion, were the circus and magic shows that I had seen as a child, and the idea of alchemy, the transformation of material or of the psyche.« ⸺ Joan Jonas

Joan Jonas ist eine Pionierin der Performance und Videokunst. In den frühen 1960er-Jahren entwickelt sie ihre ersten Happenings, in denen sie den weiblichen Körper nackt oder verkleidet als »skulpturales Material« im Raum einsetzt und mit Spiegeln abtastend fragmentiert und reflektiert. Der Körper wird dabei gleichzeitig Akteur und Material, Subjekt und Objekt. Sie wurde damit zu einer der Ikonen der New Yorker Avantgarde-Kunst. Mit Organic Honey, eine ihrer ersten großen Videoarbeiten von 1970 schafft sie einen Klassiker der feministischen Kunst. Rudi Fuchs, der ehemalige Direktor des Stedelijk Museum Amsterdam, nannte sie 1994 die »Grande Dame of performance—one of the few artists that already in the sixties defined the nature of that flexible artform and also one of the few that kept the form gloriously alive«.

Neben der Auseinandersetzung mit den Themen Weiblichkeit, Blicklenkung und Raum, geht es Jonas in ihrer Aktionskunst und später auch in ihren Videoarbeiten vor allem um das Spannungsfeld zwischen Realität, Illusion und Mythos, um Person(a) und Identität, und um die Produktion von Bildern. Besondere Bedeutung hat bei ihr das Publikum. In Left side, right side von 1972 bindet sie die Zuschauer in eine grundlegende Untersuchung räumlicher Beziehungen ein und hinterfragt das Verhältnis von körperlicher und visueller Wahrnehmung. Wie eine hohe Priesterin lenkt sie den Blick im Splitscreen-Verfahren und bietet nur Splitter an. Es ist ein Spiel mit Unsicherheiten, das an eine kultische Handlung erinnert. Der Künstler als Schamane? Man könnte es als ein Experiment über die Frage verstehen: Wie kann ein Publikum, Kunst wirklich erfahren? Zu Mirror Check, eine ihrer frühen Arbeiten, sagt sie: »It’s the shamanistic idea—the performer goes through the actions so that the audience can experience them also. It takes you into a space that you wouldn’t otherwise be in«. Jonas konfrontiert ihr Publikum mit einer enigmatischen Darstellung der Selbsterforschung, indem sie immer wieder collageartig verschiedene künstlerische Ausdrucksformen wie Film, Video, Musik, Fotografie, Zeichnung oder auch Schauspiel und Tanz mit einander kombiniert. Durch Elemente der Dekonstruktion, Irritation und der Einbeziehung des Publikums entwirft sie komplexe Wahrnehmungs- und Raumsituationen zwischen Transformationen und Fragmentierung.

In Reading Dante (2007–2010) und Reanimation (2010–2012),  zwei herausragende Arbeiten in progress, entwickelt Jonas ihre Installations-Performance weiter und inkorporiert  ein Wechselspiel aus Klängen, Gesang und Texten, in einen von Wandgemälden und ineinander überlagerten Videoprojektionen beschriebenen Raum. Über Reading Dante, das ebenso wie Reanimation oder Under the Glacier als eine Auseinandersetzung der verschiedenen Formen von Narration gedacht werden kann, sagt sie: »Obviously I’m translating Dante into my own eccentric, very personal visual language; I’m not attempting to illustrate the text […] I called this project Reading Dante because it gave me freedom to work with the text on an everyday level. I refer to the process of reading while being in one’s own world of associations that might relate to the text.«

Die Video-Sound-Installation Reanimation hat Joan Jonas für verschiedene Orte, wie auch die dOCUMENTA (13) weiterentwickelt, wo sie für die Anordnung mitten auf der Kasseler Karlsaue ein Holzhäuschen in eine Art Miniaturentheater verwandelt. Als literarische Vorlage für Reanimation diente Jonas der Roman des isländischen Literaturnobelpreisträgers Halldór Laxness, Am Gletscher. Zwischen 1972 und 2012 war Joan Jonas insgesamt sechs Mal auf der Documenta in Kassel und 2009 erstmals auf der Biennale in Venedig vertreten, 2015 repräsentiert sie die USA auf der 56. Biennale.

Ihr künstlerisches Werk beeinflusste genreübergreifend die Konzeptkunst sowie das Theater. Zu ihren Lehrern gehörten Trisha Brown, John Cage und Claes Oldenburg, die sie spürbar in ihrer »Erforschungsarbeit« beeinflusst haben, denkt man an die non-linearen narrativen Strukturen und Formen ihres Werks.

veröffentlicht am 1.4.2015 – Caroline Schilling
Veröffentlicht am: 01.04.2015