CHRISTIAN VON STEFFELIN

CHRISTIAN VON STEFFELIN
Christian von Steffelin (*1963 in Karlsruhe) lebt und arbeitet in Berlin. 1988–1991 Studium des Grafik Designs an der Fachhochschule Hannover. 1991–1997 Studium der Visuellen Kommunikation an der Fachhochschule für Gestaltung Hamburg. 1997 Nachwuchsförderpreis Dokumentarfotografie der Wüstenrotstiftung. 2005 Kodak Fotosommer Award. Zahlreiche Ausstellungen, zuletzt im Rahmen von 24h Berlin. Ein Tag im Leben bei C/O Berlin.

Zwischen Dokumentarfotografie und konstruktiver Ästhetik

»Mich interessiert das Wesen der Menschen und der Dinge, das Bild hinter dem Bild.« ⸺ Christian von Steffelin

Seit dem Mauerfall 1989 ist Berlin eine Stadt im Wandel, deren Gesicht sich in den letzten 20 Jahren stark verändert hat: An der Stelle des alten Lehrter Bahnhofs ragt heute die mehrstöckige Stahl-Glas-Konstruktion des neuen Hauptbahnhofs in den Himmel, die Hochhäuser am Potsdamer Platz sind geradezu aus dem Nichts entstanden, und auf dem einstigen Niemandsland am Reichstag erstreckt sich das Band des Bundes von West nach Ost.

Die massiven Veränderungen des Berliner Stadtraums nach der Wende und die verschiedenen Stadien dieser Entwicklung, vor allem im Ostteil der Stadt, faszinieren Christian von Steffelin. Seit 1993 dokumentiert der freischaffende Fotograf Straßen, öffentliche Plätze, brachliegende Flächen und leerstehende Gebäude. Über lange Zeiträume hinweg fängt er die Umgestaltung ehemaliger DDR-Bauten oder deren Abriss, Grundsteinlegungen, Richtfeste und die Eröffnung neuer Gebäude ein.

Doch von Steffelins Bilder sind mehr als eine nüchterne Bestandsaufnahme der architektonischen Veränderungen und der Stadtraumgestaltung in Berlin. Das besondere Interesse des Fotografen gilt der Vergänglichkeit, wie sie sich in den kurzlebigen Zwischenzuständen einzelner Bauten und von urbanem Raum manifestiert: »Aus meiner Sicht ist diese Dokumentation eine Art Zeitreise durch mehr als ein Jahrzehnt, eine Geschichte in Bildern, die vom Verschwinden und Neuentstehen, von der Ablösung einer alten durch eine neue Zeit erzählt und die gleichzeitig die Frage stellt: ›BERLIN?‹« (Christian von Steffelin)

»Christian von Steffelin nähert sich der Architektur wie ein Archäologe und Historiker.« ⸺ Manfred Schmalriede

Dass von Steffelin hierfür eine ganz eigene Bildsprache findet, zeigt auch die Langzeitstudie zum Palast der Republik, die als Teilprojekt seines Berlin-Porträts in den Jahren von 1994 bis 2010 entstand. Das ehemalige Volks- und Repräsentantenhaus der DDR war 1990 geschlossen worden, wurde um die Jahrtausendwende wegen Asbest saniert und in den folgenden Jahren nach und nach abgetragen. 1996 gelang es dem Fotografen, sich Zutritt zum Palast zu verschaffen und die noch weitgehend erhaltene Inneneinrichtung – die sichtbaren Spuren des einstigen Zentrums der Macht von Erich Honeckers Büro bis hin zum Volkskammersaal – zu dokumentieren. Von 2002 bis 2008 fotografierte von Steffelin den entkernten Rohbau und seine konstruktiven Elemente in den verschiedenen Phasen der Demontage, bis schließlich auch die ruinengleichen Treppenhauskerne den Baggern zum Opfer fielen und nur noch eine leere Fläche übrig blieb.

Die Kompositionsprinzipien, die sich in den Interieuraufnahmen von 1996 bereits andeuten, treten in den späteren Fotografien noch deutlicher hervor: »Wir verfolgen anhand einer Reihe von Bildern den Prozess der Zerstörung in chronologischer Folge. Andere Bilder scheinen dagegen ohne Zeitbezug zu sein. Die Strenge der Bilder, die die reinen Konstruktionen zeigen, erzeugt zeitlose Gegenständlichkeit, Bilder einer Neuen Sachlichkeit. Oder Bilder als imaginäre Schnitte durch Raum und Zeit.« (Manfred Schmalriede)

veröffentlicht am 6.9.2010 – Anja Breloh