INTERVIEW MIT OLIVER MARK

»Ich finde es schön, wenn man den Porträtierten auch ihr gelebtes Leben ansieht.« ⸺ Fotograf Oliver Mark ist bekannt für seine Künstlerporträts und Promi-Aufnahmen, aber auch für Modestrecken und Architekturfotografie.

Herr Mark, wie bereiten Sie sich auf ein Shooting vor? Recherchieren Sie beispielsweise für ein Promi-Porträt über die Person ausgiebig vorab?

Ganz genau. Zunächst suche ich im Internet Informationen über die Person beziehungsweise über das, was sie machen. Einige wenige Kunden schicken mir ein Expose mit Bildern und kurzer Vita der Protagonisten. Dann versuche ich einen Zusammenhang herzustellen. Das gelingt leider nicht immer, aber zumindest bekommt man dadurch einen Eindruck von dem Menschen, den man vor sich hat.

Sie meinen damit, einen Zusammenhang zu finden zwischen dem Porträtierten und dem Ort des Shootings?

Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Ich habe im vorletzten Jahr Thomas Harlan für Vanity Fair fotografiert. Das ist der Sohn von Veit Harlan, dem Regisseur von Jud Süß. Thomas Harlan lag damals in einer Lungenklinik, bei ihm arbeiten nur noch 18 Prozent seiner Lungen und ich habe ihn gefragt, wie viel ich ihm zumuten kann. Er erwiderte: Sie können mir alles zumuten. Also bin ich mit ihm auf den Obersalzberg gefahren, eben weil sein Vater diese Nazi-Filme gemacht hat und der Sohn sich mit der Vergangenheit seines Vaters auseinander gesetzt hat. Er hat mir später eine E-Mail geschickt, in der er sich für die wunderbaren Porträts bedankt hat.

Wenn Sie bekanntere Persönlichkeiten oder Künstler porträtieren, entstehen da manchmal Konfliktsituationen, weil mit Ihnen dann zwei Künstler aufeinandertreffen, wobei der eine dem anderen eventuell in die Arbeit hineinredet?

Das ist ganz selten der Fall. In der Regel sind die Begegnungen auf Augenhöhe und die Menschen vertrauen mir. Ich lasse aber auch niemanden schlecht aussehen. Es ist allerdings mal vor ein paar Jahren vorgekommen, dass ich Menschen mit zu viel Respekt begegnet bin. Zum Beispiel Harry Belafonte, von dem ich so beeindruckt war, dass das Foto nicht so gut geworden ist, wie ich es gerne gehabt hätte.

Können Sie beschreiben, wieso es nicht so gut geworden ist?

Ich war so beeindruckt von dem, was er geschaffen hat, von seiner Persönlichkeit und Ausstrahlung, dass ich nicht mehr frei war im Kopf – das Ergebnis war langweilig, auf dem Bild war dann nur Harry Belafonte.

Gibt es Shootings, wo Sie den Porträtierten ein bisschen ermutigen müssen, etwas zu wagen oder nicht zu eitel zu sein? Stichwort Foto-Retusche.

Manchmal kommen im Nachhinein Anfragen, ob man dies oder jenes retuschieren könne und einen kleinen Pickel mache ich schon weg. Ich unterscheide da zwischen den Aufträgen. Die Werbewelt ist kaum noch ohne Retusche denkbar, wohingegen in der redaktionellen Welt die Grenzen fließend sind. Aber ich bin kein Freund von allzu glattretuschierten Bildern. Ich finde es schön, wenn man den Porträtierten auch ihr gelebtes Leben ansieht.

In welchem Bereich arbeiten Sie denn lieber – im redaktionellen oder werblichen?

Das ist wie beim Essen: Wenn ich nur Currywurst mit Pommes esse wird es irgendwann langweilig. Und so ist es in der Fotografie auch. Ich komme aus der Modefotografie und mache hier wieder verstärkt Produktionen. Am vergangenen Wochenende habe ich den Maler Jonathan Meese für ein Buch porträtiert. Nächste Woche fange ich eine grosse Porträt-Geschichte für den Stern an, danach eine Modeproduktion für die Elle. Eine Werbeproduktion für zum Beispiel eine Versicherung oder Bank macht mir ähnlich viel Spaß.

Können Sie denn kurz benennen, was die drei Bereiche Porträt, Werbung und Redaktion/Interieur auszeichnet?

Durch die höheren Budgets ist in der Werbefotografie ein professionelleres Arbeiten möglich. Ein Beispiel: Ich hatte kürzlich eine redaktionelle Modestrecke mit mehreren Locationwechseln und diversen Probes gemacht. Eine Modeaufnahme sollte mit einer reinrassigen Dogge gemacht werden, die andere auf einem Berliner Dach mit Blick über die Stadt. Die Kosten für die Dogge und das Dach waren ungefähr die gleichen. Es wurde das Dach und der Mischling des Visagisten. Bei den redaktionellen Produktionen sind die Teams oft kleiner, so dass eine andere Intimität der Bilder entsteht, da nur wenige Menschen am Set sind.

Was erwarten Sie von einer Repräsentanz beziehungsweise was ist Ihnen wichtig?

Die Außenwirkung natürlich. Und dass mir die lästige Büroarbeit abgenommen wird. Wenn möglich, möchte ich nur fotografieren.

Wie viel Akquise muss man bei Ihrem Bekanntheitsstatus noch betreiben?

Na ja, je höher man auf der Karriereleiter steigt, desto schwieriger ist es, dort zu bleiben. Also ist die Arbeit der Repräsentanz sehr wichtig. Ich versuche immer, eine Mischung der Aufträge hinzubekommen, also sowohl große Kampagnen als auch Strecken für Independent-Magazine. Damit man überall am Markt präsent ist.

Sie haben zunächst eine klassische Fotografen-Ausbildung gemacht und danach zwei Jahre assistiert. Würden Sie sagen, dass eine Ausbildung auch heute noch sinnvoll ist?

Ich denke, man bekommt eine gute Grundlage durch die Ausbildung, wobei es auch funktioniert, nur einige Jahre als Assistent zu arbeiten. Ob jemand gut ist, entscheidet sich erst, wenn es mal nicht gut läuft. Dann kann es hilfreich sein, wenn man auf Erfahrungen aus der Ausbildung oder Assistenz zurückgreifen kann. Ich höre heute oft: Das kann man mit Photoshop machen. Man kann das, sage ich, aber auch oft mit Licht machen. Zurück zur Ausbildung: Ich glaube, man sollte sich zunächst klar sein, ob man in die angewandte Fotografie will oder den künstlerischen Weg geht. Danach entscheidet sich, ob Ausbildung oder Studium angesagt sind.

Zum Abschluss: Was haben Sie in den vergangenen Jahren an Veränderungen im Markt wahrgenommen?

Die Qualität ist deutlich besser geworden, in allen Bereichen. Als ich anfing als Assistent, gab es nur eine Handvoll bekannter Modefotografen. Heute gibt es viele Fotografen, die spezialisiert sind. Da wird der Kuchen dann natürlich kleiner.

veröffentlicht am 30.9.2009