ROMANTIK

»Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht. Sonst werden seine Bilder den spanischen Wänden gleichen, hinter denen man nur Kranke oder gar Tote erwartet.« ⸺ Caspar David Friedrich

Als »romantisch« wird im allgemeinen Sprachgebrauch die Neigung zum Sehnsuchtsvollen bezeichnet. Als Epochenbegriff ist mit Romantik eine ästhetisch-literarische Bewegung um 1800 gemeint, die sich zeitgleich mit dem europäischen Klassizismus in Deutschland, Frankreich und England ausbreitete und die allmählich alle Bereiche des kulturellen und geistigen Lebens erfasste. Politisch war sie geprägt von der Französischen Revolution, der anschließenden Napoleon-Begeisterung und schließlich dem Napoleon-Hass und den Befreiungskriegen, die den Nationalismus stärkten.

Romantisches Denken und Empfinden drückte sich vor allem in Malerei, Literatur und Musik aus. Die Romantiker*innen wandten sich gegen die rationalistische Geisteshaltung der Klassizisten und sahen den Schlüssel zum Verständnis einer sich ständig verändernden Welt in der Empfindsamkeit und Gefühlsfähigkeit des Menschen und in seiner Verbundenheit mit der Natur, in der sich die Allgegenwart Gottes zeigt. Eine klare Abgrenzung vom Klassizismus ist nicht möglich, denn Romantik ist keine Stilbezeichnung und brachte keine verbindliche, charakteristische Formensprache hervor.

Die Romantik kann als Sehnsucht nach einem verloren gegangenen harmonischen Weltgefüge verstanden werden und ist eng verbunden mit den literarischen Ideen der Zeit. Eine Ursache für dieses Empfinden liegt in der veränderten Rolle der Religion, die zuvor richtungweisend für Kunst und Leben war. Daraus ergab sich eine Suche nach religiöser Erneuerung, die den neuen Erkenntnissen in Philosophie, Naturwissenschaften und Geschichtsverständnis angemessen sein sollte und die den Menschen der neuen Zeit wieder einen Halt geben konnte. Damit ist die Romantik eine Fortsetzung der Religion mit ästhetischen Mitteln.

»Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es.« ⸺ Novalis

Philipp Otto Runge und Caspar David Friedrich waren die ersten, die neue Wege beschritten, indem sie im Sinne Friedrich Schlegels eine »neue Mythologie«» zu schaffen versuchten. Runge wandte sich im Februar 1802 in einem Brief an seinen Bruder Daniel gegen das kunstästhetische Ideal der Antike. Ihn konnten die überkommenen christlichen Themen nicht mehr inspirieren, ihn »drängte alles zur Landschaft«. Wie Novalis und Ludwig Tieck sah er in der Natur hieroglyphenhaft die Handschrift Gottes offenbart.

Während Runge seine Vorstellung einer spiritualisierten Natur als Allegorien formulierte, setzte Friedrich diese neue Idee in seinen Landschaftsbildern um. Er bediente sich einer ganz subjektiven ikonographischen Sprache, deren Sinngehalt von der Naturphilosophie Schellings beeinflusst wurde. Für ihn galt der Grundsatz: »Keiner ist Maßstab für alle, jeder nur Maßstab für sich und für die mehr oder weniger ihm verwandten Gemüter.« Damit wird deutlich, wie wichtig ihm seine Individualität als Künstler war.

Die Umsetzung der Naturoffenbarung Gottes in eine neue Bildersprache setzte voraus, dass der Betrachter bei der Interpretation ebenso subjektiv verfahren konnte wie der Künstler. Damit steht Friedrich dem Philosophen Johann Gottlieb Fichte nahe, der in seiner 1794 verfassten »Wissenschaftslehre« die Auffassung vertritt, dass die Welt außer uns das Produkt unseres eigenen Vorstellungsvermögens ist. Das Ich bestimmt also die Dinge, die Wahrnehmung wird folglich zum schöpferischen Akt, sowohl für den Künstler als auch für den Betrachter.

Mit seinem Altarbild Kreuz im Gebirge (1807/08) brach Friedrich radikal mit der bisher gültigen christlichen Vorstellungswelt und löste eine leidenschaftlich geführte Diskussion aus. Obwohl der Eindruck eines Naturzusammenhanges besteht, verzichtete er auf herkömmliche Grundregeln der Darstellung von Räumlichkeit und natürlicher Lichtverteilung: Der Betrachter steht außerhalb eines fixierbaren Standpunktes, der Bildraum erscheint suggestiv und unendlich, er entzieht sich der rationalen und praktischen Erfahrung und öffnet sich der schöpferischen Phantasie des Betrachters.

Während für Caspar David Friedrich, Philipp Otto Runge oder Karl Friedrich Schinkel die tradierten Vorstellungen des christlichen Glaubens der Vergangenheit angehörten, wollten die Nazarener am christlichen Mythos anknüpfen und ihn in Inhalt und Form für die Gegenwart erneuern. Sie hatten sich 1809 um Friedrich Overbeck und Franz Pforr aus Protest gegen die klassizistischen Kunstideale an der Wiener Akademie als »Lukasbund« zusammengeschlossen und strebten eine künstlerische Erneuerung der deutschen Kunst auf religiöser Grundlage an. Ihr Ideal sahen sie in Raffael, Perugino, Dürer und anderen altdeutschen Malern verkörpert. Sie lebten in Rom im Kloster Sant'Isodoro auf dem Picio. In ihrer Figurenmalerei kommt eine vergangenheitsorientierte Utopie mit der Vorliebe für biblische Legenden zum Ausdruck. In der Spätromantik eines Führich, Schwind und Waldmüller verstärkt sich der Hang zur Beschwörung einer Idylle.

Nachdem die romantische Malerei zunächst in Vergessenheit geriet, wurde sie nach der Jahrhundertwende neu entdeckt. Die Maler der Neuen Sachlichkeit, vor allem die menschenleeren Landschaften und vereinsamten Figuren eines Alexander Kanoldt, Franz Radziwill und Georg Schrimpf verweisen auf die Bildmotive der Frühromantik. Die Surrealisten und Maler der lyrischen Abstraktion wie Klee, Miró und Masson wurden als »Neoromantiker« bezeichnet, die Geschehnisse aus den Bereichen des Traumes und des Unbewussten in die Kunst einführten. Caspar David Friedrichs konzeptioneller Ansatz von der Wahrnehmung als schöpferischen Akt war wegbereitend für die abstrakte Kunst und Künstler wie René Magritte, Max Ernst und Mark Rothko. Obwohl auch die Nationalsozialisten sie für ihre Ideologie instrumentalisierten, sind die schöpferischen Impulse und Ideen der Romantik in der Kunst nach 1945 etwa bei Beuys, Baselitz, Polke und Richter bis in die Gegenwart deutlich.

veröffentlicht am 01.04.2009 – Monika Wolz
Bild: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, »Goethe in der römischen Campagna«, 1787, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg

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