KUNSTMARKT

»Making money is good art … and good business is the best art.« ⸺ Andy Warhol

Unübersichtlich und unsicher: Der Kunstmarkt ist selbst vielen Kunstinteressierten fremd, zugleich übt er eine große Faszination aus. Er ist ein Netzwerk aus zahlreichen Akteur*innen – Künstler*innen, Galerist*innen, Auktionshäusern, Messen, Museen, Kunstkritiker*innen, Sammler*innen. 

Der internationale Kunstmarkt floriert. Edvard Munchs expressionistisches Gemälde Der Schrei wurde 2012 zu einem geschichtsträchtigen Preis von 119,9 Millionen Dollar versteigert. Nie zuvor wurde bei einer Auktion ein höherer Betrag für ein Kunstwerk erzielt. Der Andrang auf die Versteigerung des berühmten Bildes war so riesig, dass das Online-System von Sotheby’s zeitweilig zusammenbrach.
Da Kunst derzeit zu Höchstpreisen gehandelt wird, ist sie ein lohnendes Investment- und Renditeobjekt für eine immer größere Zahl von Investor*innen und gehört so selbstverständlich in deren Portefeuille wie Aktien oder Immobilien. Es gibt keine exakten empirischen Daten über den Gesamtumsatz des globalen Kunstmarktes, nach Schätzungen von Expert*innen hatte er 2011 ein Volumen von rund 46 Milliarden Dollar – eine Steigerung von über 60 Prozent innerhalb von zwei Jahren. Zu keiner Zeit ist so viel Kunst vermarktet worden wie heute, niemals wurden größere Geldsummen bewegt, auch die Besucherzahlen bei Kunstmessen und -ausstellungen nehmen stetig zu. Neue Käuferschichten wurden in China, Russland, Indien und der Golfregion erschlossen. Der Kunstmarkt ist somit eine bedeutende und dynamisch wachsende Branche der Kultur- und Kreativwirtschaft. Doch wie lassen sich die komplexen Strukturen dieses Marktes beschreiben? Welche Akteure prägen ihn?

Auf dem Kunstmarkt wird die Ware Kunst verhandelt. Anfangs gab es erbittert geführte Diskussionen, ob Kunst eine Ware sein dürfe, Kunst und Kommerz erschienen als krasse Gegenpole. Doch seit Kunst geschaffen wird, hat sie ihren Markt. Berichten zufolge brachten schon 1500 v. Chr. ägyptische Kunsthändler Kopien von Götterbildern nach Kreta, um sie an Gläubige zu verkaufen.

Als Geburtsstunde des modernen Marktes jedoch gilt das Jahr 1967, in dem der Kunstmarkt in Köln (seit 1989 Art Cologne) als erste deutsche Messe ins Leben gerufen wurde. In diesen »Kinderjahren« des Kunstbetriebs konnten, so Claudia Herstatt in ihrem Kunst-Verführer Fit für den Kunstmarkt, Siebdrucke des Pop-Art-Pioniers Richard Hamilton zu 50 DM, Zeichnungen des Künstlerstars Joseph Beuys zu heute kaum vorstellbaren 350 DM erstanden werden. In den folgenden Jahren, insbesondere zwischen 1980 und 1990, erlebte der Markt einen großen Boom, die Preise stiegen in schwindelerregende Höhen. Impressionistische Gemälde etwa erfuhren eine Wertsteigerung von rund 940 Prozent, im Mai 1990 erzielte Vincent van Goghs Porträt des Dr. Gachet bei einer Kunstauktion von Christie’s 82,5 Millionen Dollar, zum damaligen Zeitpunkt der höchste je erreichte Auktionspreis. An der Wende in die 1990er-Jahre, ausgelöst durch die internationale Wirtschaftskrise, platzte die Kunstmarktblase. Nach der Baisse erholte sich der Markt in den 2000er-Jahren und verzeichnete, nicht zuletzt dank neuer Käufergruppen der zunehmend globalisierten Welt, neue Umsatzrekorde. Die weltweite Finanz- und Bankenkrise von 2008 beendete die Blütezeit erneut, doch erholten sich die Märkte rasch: Schon 2010 wechselte das Aktgemälde Nude, Green Leaves, and Bust von Pablo Picasso zur Rekordsumme von 106,4 Millionen Dollar bei einer Christie’s-Auktion in New York seinen Besitzer.

Galerist*innen nehmen im Netzwerk der Kunstmarkt-Akteure eine Schlüsselrolle ein. Sie verkaufen in der Regel auf dem sogenannten Primärmarkt die Ware der Künstler*innen, sind – auf privatwirtschaftlicher Basis – professionelle Mittler zwischen deren »atelierfrischer« Produktion und den Käufer*innen. Oft sind sie Entdecker*innen von Kunst, setzen sich für noch nicht arrivierte Künstler*innen ein, positionieren sie auf dem Markt und haben großen Anteil an der Festlegung ihres Renommees in der Fachwelt. Sie müssen damit die Spielregeln der Kunstwelt wie des Marktes beherrschen.
Seit Mitte der 1980er-Jahre entwickelte sich bei der Vermarktung von Kunst eine starke Konkurrenz zwischen dem Kunsthandel und dem Auktionswesen, später auch mit der wachsenden Zahl an Internetanbietern von Kunst. Einzelne Galerien ersannen für sich findig neue Distributionsmodelle, nur ein Beispiel ist der Zusammenschluss von Händler*innen zu einem Auktionshaus. Die Villa Grisebach etwa wurde 1986 von Bernd Schultz und vier Kollegen in Berlin gegründet und galt bereits zwei Jahre später als umsatzstärkstes Auktionshaus für Klassische Moderne in Deutschland. Zu den Großen der Zunft gehören unter zahlreichen anderen Sadie Coles, London; Galerie Eigen + Art, Berlin; Peter Freeman, New York; Gladstone Gallery, New York; Hauser + Wirth, Zürich; Pace, New York; White Cube, London; oder David Zwirner, New York.
Nahe am Berufsbild des Galeristen sind Art Consultants, die sich seit den 1980er-Jahren nach amerikanischem Vorbild auch in Deutschland etablieren. Mit kunsthistorischem Background, betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Kenntnissen beraten sie Sammler*innen und Museen, häufig auch Banken oder Versicherungen beim Aufbau von Firmensammlungen. Als wegweisender Kunstberater, ja Pionier des Art Consulting in Deutschland gilt Helge Achenbach.

Seit Mitte der 1970er-Jahre haben sich neben den Galerien verstärkt Auktionshäuser als Plattformen für die Vermarktung von Kunst etabliert. Rund 3000 Versteigerungsunternehmen bemühen sich derzeit rund um den Globus, ihre Ware zum höchsten erzielbaren Preis zu verkaufen. Großbritannien gilt – mit den Marktführern Christie’s und Sotheby’s in London – als der größte europäische Handelsplatz, Frankreich liegt auf Platz zwei, gefolgt von Deutschland auf Platz drei. Traditionell widmen sie sich dem An- und Verkauf von bereits auf dem Markt befindlichen Werken, dem sogenannten Sekundärmarkt, doch sind sie zunehmend auch auf dem Primärmarkt aktiv, beispielsweise durch den Ankauf von Galerien – ein Umstand, dem der Handel als klassischer Wegbereiter der jungen Kunst mit Beunruhigung begegnet. Doch die zeitgenössische Kunst ist en vogue: Mehr als die Hälfte aller gehandelten Arbeiten wird heute über Auktionshäuser verkauft – zu Preisen, über die manche Kunsthändler*innen den Kopf schütteln, Auktionspreise haben mit Marktpreisen oft wenig gemein. Etwas Transparenz schaffen hier Internetportale wie artprice und artnet, die Auktionsergebnisse, Preisentwicklungen und Markttendenzen offen legen.
Seit geraumer Zeit führen Auktionshäuser ihre Versteigerungen auch online durch, Christie’s etwa ist auf dem »Marktplatz der Zukunft« seit 2006 überaus erfolgreich. Dirk Boll, Geschäftsführer von Christie’s Zürich und ein profunder Kenner des Marktes, berichtet in seinem Band Kunst ist käuflich. Freie Sicht auf den Kunstmarkt von 29 Prozent neu gewonnener Kunden, 60 Prozent davon in den USA. Bei Christie’s LIVE überträgt eine Webcam die Saalauktion ins Internet, der Interessent kann vom heimischen PC aus seine Gebote abgeben. Reine Online-Auktionen bietet etwa Ketterer Kunst mit Hauptsitzen in München und Hamburg an. »Die Vorteile liegen auf der Hand. Die Auktionen sind unabhängig von saisonalen Rhythmen, die Gegenstände müssen nicht transportiert und versichert werden, keine Kataloge gedruckt werden, das senkt die Kosten«, so Hans Neuendorf, erfolgreicher Galerist, Mitbegründer der Art Cologne und Aufsichtsratsvorsitzender von artnet in New York.

Galerist*innen und »ihre» Künstler*innen buhlen zunehmend auch auf Messen um neue, sammlungsfreudige Kunden. Messen stehen für den Glamour der Kunstwelt, oft werden bereits deren Vernissagen mit großem Gespür für Events inszeniert. Bei der Art Basel etwa tummeln sich rund 20 Prozent aller Besucher*innen bereits auf der Eröffnungsveranstaltung First Choice.
Seit Bestehen der heutigen Art Cologne, der ältesten reinen Kunstmesse weltweit, haben Messen als Informations- und Verkaufsplattformen beständig an Bedeutung gewonnen, es folgten national und international zahlreiche weitere Gründungen bis in die jüngste Zeit: die Art Basel und ihre internationalen Ableger in Miami Beach und Hongkong; das Art Forum Berlin; die fine art fair frankfurt; The Armory Show, New York; The European Fine Art Fair (TEFAF), Maastricht; ArtBrussels; FIAC, Paris; ARCO, Madrid; Paris Photo; Arte Fiera, Bologna; ARTissima, Turin; Frieze Art Fair, London; ART HK, Hongkong; ShContemporary, Schanghai – um nur die bedeutendsten Namen im Reigen der Kunstmessen zu nennen, die mit unterschiedlichen Programmschwerpunkten im exquisiten Angebot das Publikum locken. Ein hoher, streng formulierter Anspruch an Qualität gilt bei Expert*innen als Voraussetzung für dauerhaften Erfolg und internationale Ausstrahlung.
2011 hatte die VIP Art Fair als erste Online-Kunstmesse ihr virtuelles Opening, über 130 handverlesene Galerien, darunter die weltweit wichtigsten Institutionen, waren vertreten. Schuf sie – aller technischen Pannen bei der Premiere zum Trotz – eine ideale Verkaufsplattform für eine neue, jüngere Zielgruppe, für Jedermann, »ob im Pyjama oder in Prada«, wie es die Organisator*innen der »Viewing In Private«-Messe formulierten? Oder verträgt der Kunstmarkt als »Elitemarkt« (Dirk Boll) eher keinen Massenabsatz? Die stetig wachsende Zahl an Kunstmessen bedeutet in jedem Fall eine Verschärfung des Wettbewerbs bei sinkenden Gewinnmargen.

Bedeutende Protagonist*innen des Kunstmarktes sind zudem Museen im Verein mit Kurator*innen – unter ihnen das Musée du Louvre, Paris; das Metropolitan Museum of Art, New York; die Tate Gallery of Modern Art, London; das Museo Nacional del Prado, Madrid; die Uffizien, Florenz; oder die National Gallery of Art, Washington. Denn die Wertschätzung und der Marktwert der Künstler*innen sind direkt verknüpft mit dem Renommee ihrer Ausstellungsorte oder mit der Aufnahme ihrer Werke in Museumssammlungen. (Der »Börsenwert«  steigt darüber hinaus durch die Teilnahme an den Großereignissen der Kunstwelt, deren Zahl beständig wächst: von der seit 1895 stattfindenden, weltweit ältesten Kunstschau, der Biennale Venedig, über die von Arnold Bode begründete documenta, die auch als Museum der 100 Tage bezeichnet wird, bis hin zu zahlreichen »Nachahmern« dieser Erfolgsveranstaltungen wie die Biennale d'art contemporain in Lyon, die Berlin Biennale, die Sharjah Biennale in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder die Gwangju Biennale in Korea.)
Zu den Kernaufgaben der Museen zählen das Sammeln, Bewahren und Forschen, aber auch das Ausstellen und Vermitteln und damit das öffentliche Erleben der ausgestellten Objekte zum Zwecke »des Studiums, der Erziehung und der Freude« – so das International Council of Museums in seiner aktuellen Definition von 2004. Anders als Galerien, Auktionshäuser und Messen sind Museen somit – festgeschrieben vom Deutschen Museumsbund im Jahr 1978 – nicht-kommerziell arbeitende Kunstvermittler. Zusammen mit der Kunstkritik fällt ihnen – gerade auch mit ihren wissenschaftlichen, ausstellungsbegleitenden Publikationen, die Verlage zudem für den Buchmarkt bereitstellen – die besondere Rolle des »Kunsterklärens« zu.

Manche der Sammler*innen der neuen Generation mögen Kunst als Anlageobjekt betrachten, doch meist bestimmt eine Amour fou zwischen den leidenschaftlich sammelnden Kunstliebhaber*innen und einem Werk den Kauf. Wie renommierte Museen mit ihren Ankäufen haben auch die Großen unter den (Privat-)Sammler*innen entscheidenden Einfluss auf das Ansehen der Künstler*innen. Mit Leihgaben für Ausstellungshäuser oder teilweise auch eigens erbauten Sammlermuseen wirken Sammler*innen weit in die Kunstöffentlichkeit hinein. Zum Teil werden Spitzenwerke durch Aufnahme in private Sammlungen dem Markt aber auch dauerhaft entzogen, da öffentliche Museen oft nicht mehr in der Lage sind, Kunst mit irrational in die Höhe getriebenen Preisen anzukaufen. Jährlich listet das New Yorker Magazin ARTnews die 200 wichtigsten Sammlerinnen und Sammler auf, in diesem Jahr rangieren auf den Plätzen der Top Ten unter anderen Hélène and Bernard Arnault, Edythe L. and Eli Broad, Jo Carole and Ronald S. Lauder, François Pinault und Sheikha Al Mayassa bint Hamad bin Khalifa Al Thani.

Seit 1970 erscheint eine Rankingliste auch für Künstler*innen, die Produzenten der Ware Kunst, ins Leben gerufen von dem ZEIT Redakteur Willi Bongard. Anhand eines Punktesystems – Präsenz in Ausstellungen, Erwähnung in Rezensionen, Ankäufe führender Ausstellungshäuser und erhaltene Auszeichnungen – ermittelte der Kunstkompass für das Jahr 2013 als weltweit gefragteste Künstler*innen der Gegenwart Gerhard Richter, Bruce Nauman und Rosemarie Trockel, um nur die ersten drei »Medaillenplätze« zu benennen. Die Rangfolgen verändern sich, blickt man in ihre Geschichte, dramatisch: Der Mitbegründer der Op-Art Victor Vasarely beispielsweise lag 1970 auf Platz zwei, 2001 fehlt er völlig; Gerhard Richter dagegen lag auf Platz 57, in den letzten Jahren rangierte er immer auf den ersten Plätzen.
In diese »Charts« fließen Verkaufserlöse nicht ein. Doch oft übernehmen in diesen Tagen die Kräfte des Marktes die Aufgabe, den Wert der Künstler*innen oder eines Kunstwerks festzulegen. »Ein Großteil der heutigen Kunst definiert sich ausschließlich durch den Erfolg auf dem Kunstmarkt. Und der ist von der Bedeutung der Kunstwerke so abgekoppelt wie die Finanzwirtschaft von der Realwirtschaft«, äußerte der österreichische Künstler, Ausstellungskurator, Kunst- und Medientheoretiker Peter Weibel bedauernd. Was sich gut verkauft, wird als gute Kunst deklariert. Doch noch einmal, pointiert Peter Weibel: »Wer einen Jeff Koons kauft, kauft nichts, was mit Leben oder auch nur halbwegs relevanten Ideen zu tun hätte. […] Diese Kunst existiert nur als eine sehr teure Ware. Wenn die Preise fallen, verliert sie jeden Reiz und wird völlig bedeutungslos.« 

veröffentlicht am 12.12.2013 – Stefanie Gommel
Bild: Benefizauktion zugunsten der Kunsthalle Bern, Bern, 13.9.2008; aus der Publikation: Dirk Boll, ABC der Kunstmärkte, Hatje Cantz 2013

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