NEDKO SOLAKOV

Nedko Solakov (*1957 in Cherven Briag, Bulgarien) stellt seit den 1990er-Jahren intensiv in Europa und den vereinigten Staaten aus. Seine Werke wurden bei zahlreichen internationalen Biennalen gezeigt, wiederholt auf der Biennale in Venedig und auf der dOCUMENTA (13).

Im Bild, ums Bild und übers Bild

Nedko Solakov ist der Literat unter den Künstlern. Virtuos spielt der 1957 in Bulgarien geborene Künstler in seine Zeichnungen, Texten, Videos, Fotografien, Performances, Installationen, Skulpturen und Wandarbeiten in unendlichen Variationen mit den Möglichkeiten der Verwendung von Sprache in der Kunst. Immer erzählt er dabei auch eine Geschichte und die poetische Lust an der Narration ist unübersehbar. Neben prägnanten Kurztexten sind es häufig irrwitzige, ironische Geschichten; unterhaltsam, humorvoll und voller Brüche; die von einer Lebensrealität erzählen und von der grundlegenden Paradoxie geprägt sind, dass es zu Allem und Jedem auch immer das genaue Gegenteil gibt. Solakov, der in Wandmalerei ausgebildet ist, speist seine Geschichten aus seinem persönlichen Archiv. Er ist der wachsame Erzähler seiner Gegenwart und der (Welt-) Geschichte, der in Bild-Text-Geschichten die scheinbar kollektiven Wahrheiten, die Bedingungen des Kunstmarkts und -systems hinterfragt, die Paradoxien in den politischen Weltläufen entdeckt und das Scheitern der menschlichen Existenz in den vielfältigen Ausformungen seines Werkes reflektiert. Sein Anspruch ist stets universal und zielt auf nichts weniger als eine Geschichte der Conditio humana.

Mit Top Secret von 1989/90 hat Solakov gerade durch die Nicht-Eindeutigkeit der Arbeit eines der provozierendsten Werke postsozialistischer Kunst geschaffen. Ein hölzerner Karteikasten mit zwei Schubladen. Darin enthalten sind 179 Karteikarten mit Texten, Zeichnungen, Fotografien und ein schändliches Geheimnis; so die Materialangabe. In der Tat thematisiert Top Secret ein höchst brisantes Kapitel aus Nedko Solakovs Biografie, nämlich die frühere Zusammenarbeit des jungen Künstlers mit der bulgarischen Geheimpolizei. Doch was ist schon objektive Wahrheit? Offizielle Beweise für die Kollaboration fehlen. So kann das (vielleicht) vermeintliche Beweismaterial Top Secret nur Teil seines erzählerischen Universums sein und in seiner Symbolik als Angriff auf das menschliche Bedürfnis nach Perfektion, Endgültigkeit und Eindeutigkeit verstanden werden, so dass seine Selbstentblößung fiktionale Rekonstruktion bleibt. Die Radikalität dieser Arbeit hat auf der documenta 2007 großes Aufsehen erregt.

Wie kein anderer zeitgenössischer Künstler spielt Solakov das gesamte Spektrum potentieller Sprachverwendung im bildkünstlerischen Kontext durch. Er nutzt Sprache als gedanklichen Katalysator, und zwar im Bild, ums Bild und übers Bild.

veröffentlicht am 30.6.2010 – Caroline Schilling
Veröffentlicht am: 30.06.2010