GERT UND UWE TOBIAS

Das Künstlerduo Gert und Uwe Tobias (*1973 in Kronstadt, Rumänien) sorgt mit übergroßen Holzschnitten und unkonventionellen Schreibmaschinen­zeichnungen international für großes Aufsehen. Die beiden Zwillingsbrüder konnten schon 2007 im New Yorker Museum of Modern Art ausstellen.

Kulturelles Cross-over

Vermeintlich mythisch-folkloristische Motive aus ihrem Heimatland Siebenbürgen treffen in ihren Arbeiten auf Versatzstücke der Art Brut und bilden gemeinsam mit Chiffren der Popkultur und Street Art ein Cross-over. Die beiden, seit 1985 in Deutschland lebenden‚ Brüder Tobias, die an der HBK Braunschweig studiert haben, wurden 1973 in Kronstadt (Braşov) in Rumänien geboren. Seit 1999 arbeiten sie gemeinsam. Die Erfahrungen unterschiedlicher Kulturen und das Thema der kulturellen Identität spiegeln sich kaleidoskopartig in ihren Arbeiten wider und verleihen ihnen die unverkennbare, eigenwillige Bildsprache. Ihr Werk gleicht einer Stilfusion, die historische, geografische und kulturelle Systeme, aber auch persönliche Erfahrungen in ein eigenes, kraftvolles Farb- und Formenspiel transformiert. Im Jahr 2001 entstand für die Ausstellung Heimaten in Leipzig mit den Neustädter Nachrichten eine Art Gesamtkunstwerk, das sich im Verbund mit Vater, Mutter und Schwester entwickelte und auf der gemeinsamen Suche nach den biografischen Wurzeln basierte. Inhaltlich wie formal bezeichnet Gert Tobias diese Installation als »eine ganz wichtige Arbeit«, denn wesentliche Elemente daraus tauchen immer wieder auf.

Die Basis ihrer Auseinandersetzung ist die Zeichnung, die beide bereits als eigenständiges Werk betrachten. Anhand der Papierarbeiten vollzieht sich die mediale Weiterverarbeitung. Dass dabei der Holzschnitt, der in den letzten Jahren von Künstlern kaum beachtet worden ist, einen besonderen Schwerpunkt bildet, beruht auf einem langen Interesse der Brüder für dieses vermeintlich alte Medium. Ihre großen Holzschnitte entstehen in einer Art Puzzledruck, denn erst durch mehrere Druckstöße einzelner Blöcke setzt sich ein Bild zusammen. Dabei entstehen die typischen Aussparungen und Überlagerungen, die gewollt sind.

Uwe und Gert Tobias brechen Symmetrien und kombinieren unterschiedliche, sich scheinbar widersprechende Formen. Sie reduzieren und abstrahieren Motive und unterwandern somit den Vorwurf plakativ, dekorativ und oberflächlich zu sein. Neben mythenumwobener Symbolik in rätselhafter, oft auch melancholischer Umgebung erinnern viele Motive in ihrer expressiven Farbigkeit an die bunten Trachten, Stoffe und bestickten Kissen Siebenbürgens. Diesen persönlichen Bezug weisen auch die Schreibmaschinenzeichnungen auf, die teils von der Stickmustermappe der Mutter inspiriert sind, teils das bekannte Vorlagenbuch zur Leinenstickerei von Herta Wilks paraphrasieren. Die beiden Künstler übersetzen das Raster der Stickvorlagen in minimalistisch anmutende Holzschnitte, die aufgerastert überraschend modern wirken. Sie entstehen unter Verwendung verschiedener Farbbänder und einer alten, mechanischen Schreibmaschine, durch eine Vielzahl einzelner Buchstaben.

Durch die Wiederholung typografischer Zeichen entstehen Flächenarrangements, die an Schraffurzeichnungen und Linientechniken des Kupferstichs erinnern. »Diese Arbeiten basieren«, so Gert Tobias, »auf einer Begeisterung für den Dadaismus sowie die Visuelle und Konkret Poesie«. Für die Ausstellung Dresdener Paraphrasen haben sich Gert und Uwe Tobias im Sommer 2012 im Dresdner Kupferstickkabinett mit manieristischen Holzschnitten, spätmittelalterlichen Spielkarten, chinoisen Blättern und formstrengen Tafeln des 20. Jahrhunderts aus dem Bestand des Kabinetts beschäftigt und diese mit ihre Arbeiten in einen Dialog gebracht. Entstanden sind mehr als vierzig ideenreiche und faszinierende neue Arbeiten, die einmal mehr ihre unverwechselbare künstlerische und handwerkliche Virtuosität und Meisterschaft aufzeigen.

veröffentlicht am 5.10.2012 – Caroline Schilling
Veröffentlicht am: 05.10.2012