INTERVIEW MIT KATHARINA DOHM

»Seurat verstand das Bild nicht mehr als Niederschrift einer Momentaufnahme, sondern als wohldurchdachte Komposition.« ⸺ Erstmals nach rund 30 Jahren wird das Werk Georges Seurats in einer repräsentativen Überblicksausstellung gezeigt. Barbara Luik, aus dem Hatje Cantz Verlag, sprach mit Katharina Dohm, Kuratorin der Schirn Kunsthalle.

Die Ausstellung Georges Seurat. Figur im Raum in der Schirn entstand in Kooperation mit dem Kunsthaus Zürich und begeisterte dort das Publikum. Jetzt kommt sie nach Frankfurt. Zeigen Sie dieselben Exponate wie in Zürich? Wie werden die Werke in den Räumen der Schirn präsentiert?

Ein Großteil der Werke, der in Zürich zu sehen war, wird auch in der Schirn gezeigt. Gerade in Hinblick auf die äußerst fragilen Zeichnungen ist das keine Selbstverständlichkeit und wir wissen das Vertrauen der Leihgeber in die Schirn sehr zu schätzen, die ihre Kostbarkeiten für weitere vier Monate ausleihen. Die Ausstellung in der Schirn unterscheidet sich in ihrer Architektur deutlich von derjenigen in Zürich, jedoch folgt die Hängung der Werke natürlich auch in Frankfurt einem roten Faden. So beginnt der Parcours mit den frühen Arbeiten und endet mit dem Spätwerk, sofern man bei Seurat, der ja mit 31 Jahren verstorben ist, von einem Spätwerk sprechen kann. Einzelne Werkgruppen wie beispielsweise die Seebilder werden ebenfalls zusammen in einem Raum gezeigt.

Der Titel der Ausstellung lautet Figur im Raum. Können Sie uns diesen Aspekt der Ausstellung näher erläutern?

Der Umgang Seurats mit der Figur im Raum lässt sich anhand seiner Zeichnungen, Ölstudien und Gemälde sehr gut nachvollziehen. In den frühen Zeichnungen ist noch Seurats klassische Ausbildung spürbar, die er in Paris an einer städtischen Zeichenschule und kurze Zeit auch an der École des Beaux Arts genoss. Doch schon bald entwickelt Seurat einen charakteristischen eigenen Stil, mit dem er sich von der naturalistischen Darstellung entfernt. Die Wiedergabe des städtischen Treibens der Metropole Paris bildet dabei einen Schwerpunkt in seinen Werken: wir sehen Flaneure, Zimmermädchen oder Arbeiter, die in Seurats Gemälden und Zeichnungen jedoch nicht, wie man bei diesen Themen vermuten könnte, bewegt und lebendig wirken, sondern wie angehalten. Seurat verstand das Bild nicht mehr als Niederschrift einer Momentaufnahme, sondern als wohldurchdachte Komposition. Gerade in den Zeichnungen ist zu sehen, wie sich die Figuren mittels Hell-Dunkel-Schraffur aus dem Raum heraus entwickeln. In den pointillistischen »Seebildern« vermissen wir zunächst Figuren, zumindest menschliche Figuren. Dort nehmen ein Leuchtturm oder ein die Leinwand beherrschender Fels die Rolle der Figur im Raum ein.

Die Organisation der Ausstellung war sicher sehr aufwändig. Erlauben Sie uns einen kleinen Blick hinter die Kulissen?

Die Gemälde und Zeichnungen kommen aus den renommiertesten Museen wie dem Metropolitan Museum und dem Museum of Modern Art in New York, dem Art Institute in Chicago, der National Gallery in London, dem Musée d'Orsay in Paris oder dem Nationalmuseum in Stockholm, aber auch aus zahlreichen Privatsammlungen. Eine Ausstellung wie diese ist logistisch und finanziell ein sehr komplexes Unterfangen. Hinter den Kulissen tragen neben den Direktoren in beiden Häusern Teams von Spezialisten zum Gelingen einer Ausstellung bei: Restauratoren, Registrare, Techniker und nicht zuletzt das Sicherheitspersonal sorgen für einen reibungslosen Ausstellungsaufbau.

Was soll dem Besucher Ihrer Ausstellung besonders in Erinnerung bleiben?

Die Besucher haben die seltene Gelegenheit, anhand einer Vielzahl von Leihgaben aus bedeutenden nationalen und internationalen Sammlungen in Seurats Welt einzutauchen und seine Sicht auf Paris zu erleben. Und sie werden Seurat als außergewöhnlich interessanten Zeichner kennen lernen können.


Die Ausstellung wurde organisiert vom Kunsthaus Zürich in Kooperation mit der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Kurator: Christoph Becker (Kunsthaus Zürich) mit Julia Burckhardt Bild (Ko-Kuratorin der Ausstellung am Kunsthaus Zürich) und Katharina Dohm (Kuratorin Schirn Kunsthalle).

veröffentlicht am 8.2.2010
Veröffentlicht am: 08.02.2010