Sprache: |
INTERVIEW MIT HANS VON TROTHA
Mit seinem neuesten Buch Der Garten - Seine Geschichte in 333 Bildern nimmt uns der Historiker und Gartenexperte Hans von Trotha mit auf eine faszinierende Reise durch die Geschichte des Gartens und zeigt auf, wie Gärten über Jahrhunderte hinweg nicht nur ästhetische, sondern auch philosophische und gesellschaftliche Botschaften transportieren. Von Trotha schildert den Garten als einzigartiges Medium, das alle Sinne anspricht und eine Brücke zwischen Natur und Kunst schlägt.
Im Interview mit Hatje Cantz spricht er darüber, warum er selbst zwar kein eigenes Gartenbeet pflegt, jedoch Gärten wie Kunstwerke bewundert. Er teilt seine Einsichten zur symbolischen Kraft von Gärten, die Themen wie Liebe, Tod und Unendlichkeit verkörpern, und geht auf die Herausforderungen ein, welche die heutige Gartenkultur im Zeitalter des Klimawandels zu bewältigen hat. Ob romantische Rückzugsorte oder gesellschaftliche Spiegelbilder – von Trothas Perspektiven auf den Garten regen dazu an, diese besonderen Orte mit neuen Augen zu sehen und ihre vielschichtige Bedeutung zu entdecken.
Hatje Cantz: Herr von Trotha, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Buch: Der Garten – Seine Geschichte in 333 Bildern. Eine erste Frage, die sich mir aufdrängt: haben Sie selbst einen Garten? Und wenn ja, wie sieht der aus?
Hans von Trotha: Ich bin Theoretiker. Das merkt man dem Buch ja auch an. Und eine alte Regel besagt: Wer die Theorie und die Geschichte des Gartens beherrscht, ist schlecht in der Botanik und im Gärtnern - und umgekehrt. Ich bin viel in Gärten, habe aber keinen eigenen. Ich lese Gärten eher wie Bücher, bewundere sie als Kunstwerke und rezensiere sie wie Filme.
Claude Monet: Das Frühstück im Grünen, 1866
HC: Sie beschreiben den Garten als allumfassendes Medium, der alle Sinne anspricht. Was fasziniert Sie persönlich am meisten am Phänomen Garten?
HT: Die Komplexität, mit der hier Botschaften auf sinnlicher Weise vermittelt werden, tatsächlich unter Einbeziehung sämtlicher Sinne. Das kann ungemein aufregend und, ja, auch beglückend sein. Man muss nur erst einmal akzeptiert und durchschaut haben, dass es sich hier nicht um ein nice to have handelt, ein bisschen gestaltete Wiese hinterm Haus, sondern tatsächlich, wenn es gut gemacht ist, um ein komplexes Medium, das seit vielen Jahrhunderten vor allem eines sinnlich zum Ausdruck bringt: das jeweilige Verhältnis einer Epoche zur Natur. Deswegen sind historische Gärten gerade heute für uns so ungeheuer aufschlussreich. Da kann man lernen, wie mutig, innovativ, fantasievoll und erfindungsreich die Menschen anderer Epochen und anderer Regionen im Umgang mit der Natur gewesen sind.
HC: Anhand von 333 Bildern aus über 1000 Jahren erzählen Sie die Geschichte des Gartens. Nach welchen Kriterien haben Sie diese Auswahl getroffen, und gibt es ein Bild, das Ihnen besonders am Herzen liegt?
HT: 333 ist viel, aber gleichzeitig ist es natürlich eine extreme Reduktion. Das war das Schwierigste bei der Arbeit an dem Buch. Kriterium war jeweils, dass sich anhand des Bildes etwas erzählen lässt und dass sich die Bilder zu einer Geschichte, nämlich zu der Geschichte des Gartens fügen. Das wäre dieselbe Geschichte, auch wenn es andere Bilder wären, was natürlich fast immer möglich wäre. Viele der Bilder sind mir über die Jahrzehnte tatsächlich ans Herz gewachsen. Ich träume davon, sie einmal in einer Ausstellung zu versammeln. Eines, das mich besonders berührt, habe ich an den Anfang gestellt, die Studie eines Gartens, von Mauern umgeben von François Desportes, entstanden um 1700. Es zeigt das konstitutive Element des Gartens, die Grenze, hier als Mauer, und illustriert zugleich das enorme Projektionspotential aller Gärten. Und die kleine, verschlossene Tür erinnert mich an das Ende des wunderbaren Aufsatzes Über das Marionettentheater von Heinrich von Kleist, in dem es heißt: "Das Paradies ist verriegelt ...; wir müssen die Reise um die Welt machen, und sehen, ob es vielleicht von hinten irgendwo wieder offen ist."
Crispin de Passe d.J: Hortus Floridus, Frontispiz: Frühling, Utrecht, 1614/1616
HC: In Ihrer Einleitung sprechen Sie über die symbolische Bedeutung von Natur, Liebe, Tod und Unendlichkeit in Gärten. Große Themen des menschlichen Denkens also. Wie spiegelt sich diese Symbolik in der Gestaltung historischer Gärten wider, und wie hat sie wohl auf die Betrachtenden gewirkt?
HT: Die Unendlichkeit ist in jedem Garten immer Thema, weil sein Gegenstand die ihrem Wesen nach unendliche Natur ist. Es gibt zwei Gegenstände, an denen der Mensch die Natur erleben kann: Gott und die Natur. Im Garten ist es immer zuerst die Natur, dann, für die, die wollen und über viele Jahrhundert hinweg und in vielen Kulturen sind das die meisten, auch Gott. Mit dem Natürlichen und der Assoziation des Paradiese ist die Liebe immer im Spiel und zwar vor allem als sinnliche Liebe, als Erotik, als Sex. Gärten waren immer auch Orte, an denen das gelebt wurde. Schließlich ist mit der Natur auch der Tod immer da im Garten, er gehört zum Leben einfach dazu, ganz natürlich. Es sind die elementaren sinnlichen Erfahrungen der Welt, die im Garten in nuce, als Konzentrat zusammengeführt werden. Wenn das auf hohem reflexivem, künstlerischem und handwerklichem Niveau geschieht, ist das schlicht umwerfend.
HC: Sie erwähnen, dass der Garten ab dem 19. Jahrhundert zunehmend in künstlerischen Medien wie Malerei, Fotografie und Film dargestellt wurde. Wie beeinflussten diese neue mediale Repräsentation das Verständnis und die Wahrnehmung von Gärten?
HT: Da passieren zwei Dinge parallel: Der Garten als große Kunstform löst sich zunehmend auf. Damit endet auch das Buch. Das hat philosophische, ihnen folgende ästhetische, aber vor allem auch gesellschaftliche Gründe. In der bürgerlichen Gesellschaft bekommt der Garten neue, ganz andere Funktionen. Gärten werden gleichzeitig einerseits zu einer Sache der Allgemeinheit, die Volksgärten und Stadtparks, anderseits zu Rückzugsorten ins ganz Private. Das ist ein neues Kapitel. Dabei spielen Blumen eine extrem wichtige Rolle, die in den großen Formen der Gartenkunst des 15. bis 19. keine so große Rolle gespielt haben. Die großen Themen Natur, Liebe, Tod, Unendlichkeit finden die Menschen jetzt nicht mehr im Garten, sondern entweder in der Natur selbst - oder in der Musik, in der Literatur, in der Malerei, schließlich auch im Film. Das ist eine Foge des romantischen Anspruchs, die Unendlichkeit von allem (die der Natur, der Liebe, des Todes ... ) unmittelbar, nicht bloß als Zitat oder Anspielung zu erfahren. Das kann ein Garten nicht leisten. Ein Garten lebt immer aus der Andeutung, weil seine Definition immer die Grenze ist. Das macht ihn als Kunstform so raffiniert. Aber am Unendlichen selbst muss er zwangsläufig scheitern.
Jakob Philipp Hackert: Der Englische Garten in Caserta, 1793
HC: Sie thematisieren auch die ökologische und gesellschaftliche Bedeutung von Gärten im Lauf der Jahrhunderte. Welche Rolle spielen diese Orte Ihrer Meinung nach heute in Bezug auf die wohl dringendste Herausforderung unserer Zeit: den Klimawandel?
HT: Der Gartengestalter, -lehrer und -philosoph Gilles Clément spricht vom Garten als Arche, als geschütztem Ort, an dem Arten überleben konnten, und davon, dass wir heute "planetarisch" gärtnern müssen, also mit jeder Handlung, jedem Gedanken im Garten immer den ganzen Planeten im Auge haben, für den Planeten handeln und denken müssen. So können Gärten der Natur sogar unmittelbar, tatsächlich helfen. Noch mehr können sie aber unser Bewusstsein für das herausbilden oder besser wieder zu entwickeln, was Natur ist, welches Wunder sie ist, was in ihr steckt. Und das erschließt sich, wie schon gesagt, besonders in der Beschäftigung mit historischen Gärten. Das war ein entscheidender Beweggrund für mich, dieses Buch machen zu wollen, als Beitrag.
Headerbild Hans von Trotha © Hans Duefelsiek