dOCUMENTA (13) – BLICK HINTER DIE KULISSEN: INTERVIEW MIT ELFI KOPLER

dOCUMENTA (13) – Blick hinter die Kulissen: Ein Interview mit Elfi Kopler, Ur-Kasselanerin und »Worldly Companion« der dOCUMENTA (13), geführt von den Kunstjournalisten Nicole Büsing und Heiko Klaas.

Frau Kopler, vielleicht stellen Sie sich einmal kurz vor und erzählen uns etwas zu Ihrem Hintergrund.

Ich bin die Elfi Kopler. Und ich bin Kasselanerin. Das bedeutet, dass ich schon urlange in Kassel wohne. Ich bin hier in Kassel an der Volkshochschule und außerdem als Schneiderin tätig und vor allem, und das ist das Wichtigste, als Gästeführerin in der Stadt. Deswegen bin ich ganz interessiert daran, auch Dinge vorzustellen, die mir vielleicht seit Jahren schon von anderen Documenta-Ausstellungen her bekannt sind.

Wie sind Sie denn mit der dOCUMENTA (13) in Kontakt gekommen?

Durch die Zeitungsbewerbung. Daraus habe ich gelesen, dass sie mich direkt angesprochen haben, und dass ich genau die Richtige bin, hier Wordly Companion zu werden.

Wie war das formuliert? War das eine Anzeige?

Das war ein großer Zeitungsartikel. Darin wurde darauf hingewiesen, dass auch Laien, also nicht nur Kunstexperten, angesprochen sind, eben auch Leute, die nicht so viel, beziehungsweise gar nichts damit zu tun haben. Und genau deswegen war es für mich wichtig teilzunehmen: um Kunst zu lernen. Ich habe als Gästeführerin natürlich immer auch bei den Documenta-Ausstellungen Gäste geführt. Und insofern habe ich sie im Grunde alle gesehen von Anfang an. Ich habe mich aber bisher nicht so richtig damit beschäftigt.

Wenn Sie dann Worldly Companion sind, werden Sie ja ein großes, auch internationales Publikum durch die Documenta führen. Wie werden Sie denn darauf vorbereitet? Was passiert im Team?

Die Schulungen sind sehr intensiv. Bis zu 13 Stunden am Tag. Wir müssen da auch richtig mitarbeiten. Und vor allen Dingen müssen wir immer unsere Unterlagen mitschleppen. Das ist ein großer Ordner, der richtig voll ist. Natürlich ist das alles hochinteressant. Wenn man da reinguckt, kann man eigentlich gar nicht mehr aufhören. Das ist im Grunde so, wie wenn man einen spannenden Roman liest, zumindest ist es mir so vorgekommen.

Also lernen Sie jetzt auch sehr viel?

Ich lerne sehr viel, und ich bin auch wirklich interessiert daran. Natürlich interessieren mich am meisten die Künstler, von denen ich auch immer bei meinen Rundgängen erzähle. Ich zeige dann, was bereits von der Stadt angekauft wurde. Darauf werde ich mich ein bisschen spezialisieren. Aber die Tour wird ja so aufgebaut sein, dass wir auch an den neuen Dingen entlanggehen und mich die Gäste fragen werden, was es damit auf sich hat.

Also an neuen Arbeiten, die jetzt dazukommen?

Ja, das denke ich auch. Denn es gibt ja verschiedene Touren. Man kann in zwei Stunden nicht eine ganze Documenta sehen. Und daher werden wir uns spezialisieren. In meiner Gruppe sind wir 16 Personen. Und ich bin ganz gespannt, wenn wir uns das nächste Mal treffen, soll sich jeder mit drei Künstlern intensiver beschäftigt haben. Dreimal 16, dann wissen Sie, wie viele da auf uns zukommen, wenn jeder nur ein bisschen erzählt von seinen Künstlern, die er nun genauer studieren wird.

Könnten Sie uns die Zusammensetzung dieser Gruppe ein wenig beschreiben?

Oh ja. Das sind altersmäßig schon einmal sehr unterschiedliche Leute. Darunter auch etliche Vorgebildete. In meiner Gruppe ist eine Dame, die in Spanien führt, in Madrid. Und in der Vorbesprechungsgruppe waren eine Dame aus Peru und eine Dame aus Venezuela. Berliner sind auch viele dabei, also auch deutsche auswärtige Leute. Bei den Worldly Companions sind nicht nur viele Vorgebildete, sondern auch Leute, die sich wahrscheinlich bisher noch weniger als ich mit der Documenta beschäftigt haben. Und das ist das, was mich so reizt. Sonst hätte ich vielleicht gar nicht gewagt, da als Kunstvermittler aufzutreten.

Wie oft finden diese Schulungen statt?

Einmal im Monat. Aber dann sehr intensiv. Samstag den ganzen Tag und einen halben Tag am Freitag. Da vieles in englischer Sprache ist, ist es für mich natürlich auch nicht so ganz leicht. Wenn ich dann von den anderen Gruppenmitgliedern Mails bekomme, die sozusagen etwas außerhalb meiner Denkungsweise sind, wenn mich also ein Universitätsprofessor anmailt und bestimmte Ausdrücke benutzt, dann muss ich mein Fremdwörterbuch danebenlegen, um das dann herauszukriegen. Das ist für mich dann natürlich ein bisschen schwierig. Aber welche Vorbildung ich habe, das hatte ich schon in meiner Bewerbung geschrieben. Ich bin Schneiderin. Und deswegen natürlich nicht so sehr in den Philosophien der Universitätsprofessoren bewandert.

Gut, aber das ist ja auch genauso gewollt. Sie bringen ja andere Dinge mit ein. Sie haben ja vielleicht einen viel unverkrampfteren und frischeren Blick auf die Kunst...

Ja, ich hoffe, dass das auch so gewollt ist und mich nicht in Schwierigkeiten bringen wird. Das habe ich bei meinen Gästeführungen auch manchmal, da sind dann Leute dabei, die finden, dass ich mich vielleicht zu einfach gebe, zum Beispiel Lehrer oder andere Leute, die es dann besser wissen wollen. Leute, die einfach der Meinung sind, es wäre viel zu durchschnittlich für sie, sie schwebten in höheren Regionen.

Können Sie Ihre Verbindung zur Documenta ein bisschen darstellen? Sie sind ja schon als junges Mädchen zur ersten Documenta gegangen. Wie war dieses Erlebnis?

Zur ersten Documenta waren wir von der Schule aus. Wir hatten natürlich Eltern, die Jahrgängen entstammten, die das alles abgelehnt haben. Und so mussten wir uns erstmal selbst damit befassen und in diese ganz anderen Dinge reinwachsen. Zum Beispiel »Verpackte Luft« damals von Christo. Das war für uns sehr gewöhnungsbedürftig, so würde ich es heute nennen. Aber auch der »Vertikale Erdkilometer« von Walter de Maria, der ja direkt vor dem Fridericianum ist, ist sehr erklärungsbedürftig. Wenn ich meine auswärtigen Gruppen führe, dann muss ich das denen so vermitteln, dass sie wenigstens ein bisschen Verständnis dafür haben. Und das ist spannend. Und ganz interessant.

Würden Sie sagen, dass viele Menschen in Kassel über die Jahre und mit immer wieder neuen Documenten sich immer mehr an die zeitgenössische Kunst angenähert haben?

Das kann ich leider so nicht sagen. Die Leute um mich herum lehnen es alle furchtbar ab, und ich habe schon Streitgespräche geführt. Beinahe wäre sogar mal eine Freundschaft daran zerbrochen. Aber ich versuche eben, und das lerne ich jetzt noch besonders, diese Dinge doch besser zu erklären. Zum Beispiel den »Vertikalen Erdkilometer«, den man ja nicht sieht. Aber die Teilnehmer sollten nicht nur auf mich hören, sondern sich auch selber Gedanken machen.

Erwarten Sie, dass die dOCUMENTA (13) ein bisschen anders wird, einen anderen Dreh bekommt als die vorherigen?

Ich habe das Gefühl, dass die dOCUMENTA (13) ganz anders wird. Allein schon dadurch, dass wir Worldly Companions sind und eben keine Fachleute. Es kommen ja sicherlich auch nicht nur Gäste, die an der modernen Kunst interessiert sind, sondern unter Umständen auch solche, die ihr ablehnend gegenüberstehen. Die Gruppen, die kommen, sind ja oft bunt zusammengewürfelt. Und da denke ich mir schon, dass es wichtig ist, die Kunstwerke nun auch in dieser moderneren Weise zu zeigen und nicht nur so streng kunstbezogen.

Ist Ihr Umfeld stolz, dass Sie das machen?

Mein Sohn, der lacht. Naja, Mutter muss mal wieder etwas Neues machen. Nein, stolz bestimmt nicht. Es ist sehr umstritten. Ich habe noch einen Bruder hier, und ich werde ihn überreden müssen, das mal mit mir anzuschauen. Meine Freunde haben von Anfang an gesagt, um Gottes Willen, na, dann sind wir aber mal gespannt, wie du uns das rüberbringst. Also, ich werde da schon Kämpfe ausstehen müssen.

Sie stoßen also auf Skepsis?

Sehr. Auf jeden Fall. Und vielleicht nicht nur Skepsis.

Um so toller, dass Sie es machen...

Das ist eben einer der Gründe. Weil ich der Meinung bin, wenn es schon eine Weltausstellung ist, warum soll ich mich da verweigern? Wenn Weltmeisterschaft im Fußball ist, kommen ja auch alle. Und selbst Leute, die wie ich gar nichts von Fußball verstehen. Trotzdem, es ist eine Weltausstellung. Und deswegen darf man sich eigentlich nicht verweigern. Zumindest muss man es angucken. Und es gibt garantiert für jeden, davon bin ich fest überzeugt, irgendetwas, was ihm gefällt. Das zu finden, ist dann natürlich wieder eine andere Sache.

veröffentlicht am 15.5.2012