INTERVIEW MIT INGRID PFEIFFER

»Wir geben ihnen den Platz, der ihnen gebührt.« Die Kulturjournalistin Anke Manigold im Interview mit Ingrid Pfeiffer, der Kuratorin der großen Ausstellung Impressionistinnen. Mori­sot, Cass­att, Gonzalès Brac­que­mond in der Schirn Kunsthalle Frankfurt.

Frau Dr. Pfeiffer, Ihnen ist diese Ausstellung zu verdanken, Sie haben sie erdacht und realisiert. Warum zeigen Sie ausschließlich Malerinnen?

Malerinnen stellen immer noch ein unbekanntes Kapitel in der Kunstgeschichte, davon ist der Impressionismus nicht ausgenommen. Wer sich mit Künstlerinnen beschäftigt, entdeckt immer wieder Namen, von denen das breite Publikum nie gehört hat, aber es hat oft talentierte und in ihrer Zeit wichtige Malerinnen gegeben.

Was war Ihre Initialzündung für diese Ausstellung?

Nachdem ich mit Henri Matisse, Yves Klein und James Ensor große monografische Ausstellungen von Männern gezeigt habe, wollte ich einmal Künstlerinnen eine umfangreiche Präsentation widmen. Dabei bin ich auf diese vier Frauen gestoßen und fand vier Lebensläufe, vier Stile, vier Storys von Erfolg und Misserfolg. Das schien mir interessant.

Sie sprechen von Berthe Morisot, Mary Cassatt, Eva Gonzalès und Marie Bracquemond. Gibt es für Sie unter diesen Malerinnen eine Lieblingsfigur?

Morisot liegt mir am meisten am Herzen. Sie ist die zentrale Gestalt in dieser Gruppe, ohne sie wäre diese Ausstellung nicht das gewesen, was sie jetzt ist. Sie ist mit den meisten Werken in der Ausstellung vertreten. Cassatt ist eine andere wichtige Figur, eine großartige und starke Persönlichkeit, deren Mutter-Kind-Thema nie sentimental, nie kitschig wird.

Entspricht die Lebensfreude und Sinnlichkeit in den Bildern dem Lebensgefühl der Impressionistinnen? Oder war es eher das Sujet, das sie faszinierte?

Ob die Wahl des Stils Ausdruck von Lebensfreude oder eine künstlerische Entscheidung war, lässt sich schwer sagen. Die Malerinnen stellten primär ihr häusliches Umfeld dar. Als Frauen des gehobenen Bürgertums durften sie nicht ohne Anstandsdame ausgehen und keine Restaurants, Cafes, Theater, geschweige denn Bars besuchen. Deshalb malten sie ihre Familien, Interieurs, Gärten und Stillleben. Aber da jede von ihnen eine gute Ausbildung genossen hatte, hatten sie auch alle ein spezifisches künstlerisches Interesse an der Malerei, das über das Sujet hinausging.

Haben sie ihre Technik an Akademien gelernt?

Es gab ab 1868 die Académie Julian in Paris, die Malklassen für Frauen eingerichtet hatte. Aber alle, um die es hier geht, sind eine halbe Generation früher. Sie hatten Privatlehrer, etwa Charles Chaplin, der sich auf Malunterricht für Frauen spezialisiert hatte. Cassatt und Gonzalès waren seine Schülerinnen. Die Eltern von Morisot waren fortschrittlich: Ihre Tochter erhielt Zeichenunterricht, und sie ließen ihr im Garten ein Atelier bauen.

Wie haben ihre Familien überhaupt auf die künstlerische Arbeit reagiert?

Morisot hatte das Glück, den jüngeren Bruder von Manet, Eugène, zu heiraten, der sie in moderner Weise unterstützte. Cassatt war Amerikanerin und unabhängiger, deshalb war bei ihr alles anders. Bracquemond litt unter der Kritik ihres konkurrierenden Künstler-Ehemanns, weswegen sie ihre eigene Malerei später ganz aufgab.

Wurden diese Künstlerinnen zu Lebzeiten von Kritikern und Kollegen geschätzt?

Bracquemond wurde als eine der Grandes Dames des Impressionismus bezeichnet. Morisot bekam gute Kritiken, ihre Arbeiten wurden immer wohlwollend besprochen. Über Cassatt schrieben die Kritiker, niemand könne Mutter und Kind so gut darstellen wie sie. Und auch Gonzalès fand trotz ihres kurzen Lebens die Aufmerksamkeit von wichtigen Künstlern und Kritikern.

... viele positive Stimmen. Haben sie mit ihren Bildern auch Geld verdient?

Es gab im Jahr 1875 eine Auktion bei Drouot, an der viele Impressionisten beteiligt waren. Morisot verdiente von allen am besten, sogar mehr als Monet. Grundsätzlich haben alle impressionistischen Künstler nicht gut verkauft. Ihre Kunst war zu skandalös, und der Markt, wie wir ihn heute kennen, war gerade erst dabei, sich zu bilden.

Was soll dem Besucher dieser Ausstellung besonders in Erinnerung bleiben?

Er soll einzelne Werke einfach wunderbar finden. Und er soll mitnehmen, dass wir diese vier Künstlerinnen in die Geschichte des Impressionismus eingefügt haben. Wir geben ihnen den Platz, der ihnen gebührt.

 

veröffentlicht am 11.12.2007
Veröffentlicht am: 11.12.2007