INTERVIEW MIT CLAUDIA HERSTATT

»Viele haben jahrelang schlaflose Nächte gehabt.« ⸺ Die Kulturjournalistin Dr. Anke Manigold im Gespräch mit Claudia Herstatt über ihr neues Buch Frauen, die handeln. Galeristinnen im 20. und 21. Jahrhundert, das im September 2008 erscheinen wird.

Frau Herstatt, Sie haben sich eindrucksvolle Galeristinnen ausgesucht. Fiel Ihnen die Auswahl schwer?

Dreißig Porträts von Galeristinnen aus drei Generationen sind natürlich sehr wenig. Da das Buch aber nicht enzyklopädisch gedacht ist, sondern exemplarisch, kam es darauf an, Lebenswege und Arbeitsweisen von Galeristinnen vorzustellen, und aufzuspüren, wie jede für sich ihr Galerieprogramm entwickelt und vertritt.

Und was sind das für Frauen, die sich auf das Abenteuer Galerie eingelassen haben?

Ilona Anhava, die in Helsinki eine sehr engagierte Galeriearbeit macht, war Rechtsanwältin. Suzy Shammah hat – bevor sie vor vier Jahren in Mailand eine Galerie eröffnete – in der Krebsforschung gearbeitet, und Monika Sprüth war Stadtplanerin. Die Zugangsweisen sind ganz unterschiedlich, aber immer hat sich am Ende die Kunst bei ihnen durchgesetzt.

Was benötigt man, um diesen Beruf auszuüben?

Eine Ausbildung? Geld? Leidenschaft? Eine Ausbildung zum Galeristen gibt es nicht, Galerist kann sich jeder nennen. Geld hilft, aber die meisten hatten keines. Viele haben jahrelang schlaflose Nächte gehabt. Galeristinnen fasziniert das Leben mit der Kunst. Es geht ihnen um das Reden über Kunst, um das Entdecken, das Fördern von Künstlern und darum, zu beobachten, wie Kunst entsteht.

Gibt es einen Unterschied zwischen den Galeristinnen heute und den Pionierinnen damals?

Das Geschäft ist sehr viel härter und schneller geworden. Antonina Gmurzynska hat zwölf Stunden am Tag gearbeitet und ist viel gereist. Dahingehend hat sich nicht viel verändert. Verändert haben sich die Strukturen, viele haben damals eine Galerie geführt, ohne eine Vorstellung von Buchhaltung oder Marketing zu haben. Das ist heute nicht mehr möglich.

Welche Eigenschaften müssen Galeristinnen mitbringen, um sich in der nach wie vor von Männern geprägten Welt des Kunsthandels behaupten zu können?

Eigentlich die gleichen wie die Männer auch.

Und die sind?

Ein gutes Auge, Durchsetzungsvermögen, guter Umgang mit den Künstlern, Geschäftstüchtigkeit. Letzteres ist nicht von der Hand zu weisen, denn warum sollte man in allen Berufen Geld verdienen, nur nicht mit der hehren Kunst?

Was hat Ihnen beim Schreiben dieses Buches besonders Freude gemacht?

Die Gespräche und Begegnungen mit den Galeristinnen, aber auch mit den Künstlern, die von der Liebe und dem Respekt für die Profession ihrer jeweiligen Galeristin sprechen. Santiago Sierra zum Beispiel erzählte, wie er seiner Galeristin Helga de Alvear in Madrid 100 Emigranten ohne Papiere in Autos versteckt hatte, die sie später alle bezahlen musste. Das war für ihn eine Art Test, um herauszufinden, ob er mit ihr weiterhin zusammenarbeiten wollte und welche Risiken sie bereit wäre, einzugehen.

Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Wird die Zahl der Galeristinnen zunehmen?

Gut möglich. Frauen sind auf allen Gebieten präsenter. Obwohl ich nicht glaube, dass Frauen heute mehr Schneid haben als eine Denise René, die 1944 in Paris ihre Galerie eröffnete und ihrem Programm zeitlebens treu blieb, unabhängig von den wechselnden Moden in der Kunst.

veröffentlicht am 19.5.2008