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INTERVIEW MIT MARIA MORITZ
Die 1994 in Köln geborene Maria Moritz absolvierte ihr Studium an der HfBK in Hamburg und an der Städelschule in Frankfurt am Main, wo sie nun als freie Künstlerin tätig ist. Sie arbeitet vorwiegend im Feld der Malerei und erkundet darin grundlegende ästhetische Fragen wie Wahrnehmung und Kontemplation. Dabei variiert ihr Ausdruck zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit, wie etwa in der Arbeit Afterglow, wo sie den glühenden Horizont der blauen Stunde greifbar macht, oder in ihrer Serie von Ölbildern mit dem Titel Beds the artist slept in, welche Schlafzimmer porträtiert und die Beziehung Kunstwerk–Künstlerin beleucht
Ausstellungsansicht „Mood“, Magma Maria, Offenbach Foto: Jakob Otter
Im Interview mit Hatje Cantz erläutert Maria Moritz ihr vielschichtiges Verhältnis zur Kunst Friedrichs, reflektiert darüber, wie sich unsere veränderte Betrachtung der Natur in seinen Werken widerspiegelt und weshalb sie gerade in der heutigen Zeit eine neue politische Relevanz in seinem Werk sieht.
Hatje Cantz: Hast du in deinem Leben einen ganz persönlichen Friedrich-Moment erlebt, von dem du uns erzählen magst?
Maria Moritz: Es ist eher ein ambivalentes Gefühl, das mich überkommt, und kein sehr bestimmter Oha-Moment. Seine Werke sind einerseits sehr verführerisch. Gleichzeitig ist da aber auch dieser bittere Beigeschmack, den ich auch unter historischer Linse nicht ganz verdrängen kann. Dies beides ist das Faszinierende an seinen Arbeiten. Auf der einen Seite sind seine Werke so unglaublich effektiv darin, eine “einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag", zu evozieren, um mit Walter Benjamins Worten über den Begriff der Aura zu sprechen. Insofern repräsentiert er für mich also das unmittelbare Gefühl. Auf der anderen Seite verbinde ich mit ihm aber etwas Selbstgerechtes, typisch Deutsches und eine solitäre Innerlichkeit, die recht wenig revolutionär erscheint. Die andere Frage lautet, wie man das Erhabene spüren soll, wenn gleichzeitig die Schuldgefühle an uns nagen, weil wir im Begriff sind, die Natur zu zerstören? Es ist ein wenig absurd, wenn es bei aller magischer Naturverbundenheit in der Kontemplation seiner Werke zur Zeit eigentlich nur darum gehen kann, die Welt und ihre „Verdorbenheit" zu vergessen.
HC: Kannst du uns sagen, welche Elemente aus Friedrichs Werk du in deinen eigenen Kunstwerken aufgegriffen hast und welche Rolle diese in deiner künstlerischen Praxis spielen?
MM: Ich denke da an den Modus der Kontemplation; an das Erhabene als ästhetisches Phänomen; und an Illusionsraum. Explizit gehen drei verschiedene meiner Werke auf diese Tropen ein. Das älteste ist ein Diptychon. Plan A der Arbeit spielt mit der Erwartungshaltung an das Bild zu performen, Plan B mit dieser versprochenen und irgendwie verstaubten Idee von Freiheit. Es geht mir darum, wie man derartige Versprechungen oder Vorstellungen in Anführungszeichen setzt und durchspielt, im Zweifelsfall bricht oder übertreibt. Es ist sehr entscheidend, wie man sie inszeniert, um sie nicht bloß zu reproduzieren. Weil Friedrichs Arbeiten so viel wollen, moralisch wie affektiv, laden sie förmlich ein, sein Anliegen untergraben zu wollen. Ich finde in Abgrenzung dazu den Modus des Spiels aber verlockender. Das Prinzip der Inszenierung trifft auch auf die Werkserie mood zu, die auf immersive Eskapismen in der Malerei und die Kommerzialisierung von Emotionen durch die sozialen Medien verweist. Auf den ersten Blick gibt sie vor, zur Kontemplation einzuladen – was ja einen großen Teil Friedrichs Werke ausmacht. Aber wie auch in der Arbeit Afterglow, die Nikki Buzzi zur Eröffnung mit einer Soundinstallation begleitet hat, wollte ich für mood einen Komplex aus Bild, Abbild und Kontext schaffen, in dem der Blick aus dem suggerierten Raum in den Ausstellungsraum zurückgeworfen wird. Durch ein Auslaufen der Farben ins Dunkel der Wand, und Buzzis Sound- und Bildreflektion, im Fall von Afterglow und im Fall von mood durch die spezifische Art der Hängung. Es geht also immer wieder um ein Austarieren zwischen Nähe und Distanz, worin Friedrich ja ein Meister war.
Ausstellungsansicht „Afterglow“, saasfee*satellit, Frankfurt a. M. Foto: Esra Klein
HC: Warum ist Friedrichs Werk deiner Meinung nach heutzutage relevant?
MM: Ich würde per se gar nicht bestätigen, dass er noch super relevant ist. Ich finde, seine Werke sind einmal ein Sinnbild einer teils zu recht, teils zu unrecht in Verruf geratenen ästhetischen Kategorie. Daneben kann man an ihnen gut ausmachen, wie sich unsere Weltanschauung und die Art, wie wir die Natur betrachten, verändert hat. Auf der einen Seite sind sie immer noch unglaublich wirkungsvoll und anziehend. Und auf der anderen Seite ist da dieses Deutsche, gewaltvoll Überhebliche in seiner solitären Innerlichkeit und ein Moment, der gerade jetzt sehr off und alles andere als aufklärerisch scheint. Insofern kann ich auch gut nachvollziehen, und finde es schlüssig, warum “Strike Germany” in einem ihrer Beitragsbilder den Wanderer über dem Nebelmeer zeigt. Vielleicht kann man der Idee von Erhabenheit, die ich insbesondere mit ihm verbinde wieder zu mehr politischer Relevanz verhelfen, wenn man Erhabenheit, wie der Politologe und Soziologe Oliver Marchart es beispielsweise tut, als diskursives Mittel verwendet, um über einen revolutionären Moment zu sprechen, der als solcher undarstellbar bleibt und sich der Repräsentation entzieht – sobald wir nämlich in der Lage sind, hinreichend zu beschreiben, was das Neue eigentlich ist, ist es nicht mehr neu, sondern bereits Teil des Bekannten, des 'Alten'.
Das Gespräch mit Maria Moritz für Hatje Cantz führte László Rupp im März 2024.