INTERVIEW MIT ANNELIES BAKKER

Interview mit Annelies Bakker, Backoffice Management Assistant im Technical Production Team

Frau Bakker, stellen Sie sich doch bitte kurz vor und beschreiben Sie uns Ihre Tätigkeit für die Documenta.

Die technische Produktion ist unter anderem für die Architektur der unterschiedlichen Ausstellungstätten der Documenta, die Planung des Aufbaus sowie die Installation der Arbeiten vor Ort zuständig. Wir kommunizieren eng mit den einzelnen Abteilungen, mit der Projektleitung, der künstlerischen Leitung – und natürlich auch mit den Künstlern selbst über ihre Pläne und Vorstellungen. Außerdem haben wir viel mit Architekten, Kunstspediteuren und den Aufbauteams zu tun. Meine Position nennt sich Back Office Management Assistant. Back Office Management enthält von allem was: Wir unterstützen die Leiter des Aufbauteams und seine Mitarbeiter, wir sammeln Pläne für den ganzen Installationsablauf, haben Zugang zu allen wichtigen Gebäuden, und nicht zuletzt kontrollieren wir die Budgets.

Dann haben Sie auch viel mit den Künstlern zu tun?

Ich persönlich nicht so sehr. Wir haben ja zwei Heads of Installation, die jeweils einen eigenen Assistenten haben. Die und die Curatorial Assistants verfügen über sehr enge Kontakte zu den Künstlern. Aber letzten Endes ist es immer eine Gruppendiskussion: Der Kurator hat bestimmte Wünsche, der Künstler natürlich - und unsere Abteilung prüft, inwiefern sich das technisch realisieren lässt. Das muss alles miteinander in Einklang gebracht werden. Ich habe dadurch zwar einen großen Einblick in den ganzen Prozess, aber engen Kontakt zu den Künstlern habe ich eigentlich nicht.

Welche Ausbildung haben Sie? Was haben sie vorher gemacht?

Ich bin gerade fertig mit meinem Master an der Universität von Maastricht in den Niederlanden. Das Fach nennt sich Arts and Heritage: Policy, Management and Education. Vorher habe ich Kunstgeschichte studiert, ich wollte aber mehr Praxisbezug und mehr Bezug zur Gegenwart. Dinge tun, die ein konkretes Ergebnis haben. Also habe ich mich für diesen Masterstudiengang eingeschrieben. Und es war wirklich die richtige Entscheidung. Ich habe dort eine Menge gelernt. Im letzten Jahr haben wir eine Studienreise nach Berlin gemacht. Dort hatten wir auch ein längeres Gespräch mit der Kulturprojekte Berlin GmbH. Ich habe mich dann gleich spontan für ein Praktikum bei Kulturprojekte Berlin GmbH beworben und dann letzten Sommer vier Monate für die Ausstellung »Based in Berlin« gearbeitet. Ich war da im Veranstaltungsmanagement tätig. Wir waren für die Planung und Organisation des Abendprogramms zuständig. Jeden Abend gab es verschiedene Events. Hier in Kassel arbeite ich mehr oder weniger mit denselben Leuten zusammen. Drei meiner damaligen Kollegen arbeiten jetzt für die Documenta, und einer davon hat mich gefragt, ob ich wieder mitmachen wollte. So bin ich hier gelandet. Wie schon gesagt, hatte ich ja mit zeitgenössischer Kunst zuvor gar nicht so viel zu tun. Deshalb finde ich es spannend, jetzt hier zu sein. Manchmal habe ich das Gefühl, noch nicht genug über die Szene zu wissen. Aber hier werde ich da direkt hineingestoßen, kann alles aufsaugen und am Ende vielleicht einiges an neuen Erfahrungen mit nach Hause nehmen. Aber das ist ja alles noch ein laufender Prozess. Die Documenta hilft mir hoffentlich, mich da weiterzuentwickeln.

Freuen sie sich auf die persönlichen Begegnungen mit den Künstlern?

Darum geht es mir gar nicht mal so sehr. Natürlich finde ich es schön, die Künstler kennen zu lernen und zu sehen, was sie machen. Ich komme aber aus einer Künstlerfamilie. Daher weiß ich, wie das alles funktioniert, wie Künstler denken oder sich verhalten. Ich bin auch mit Künstlern befreundet. Diese Form des Austauschs kenne ich daher schon aus meinem Privatleben.

Da haben Sie also kein Nachholbedürfnis?

Nein, was das betrifft, nicht. Für mich ist das Spannende die Arbeit hinter der Bühne. Was passiert hier gerade? Wie bekommen wir das alles gemanagt? Es ist interessant dabei zu sein, gerade aus der Hintergrundperspektive. Zu sehen, wie wir diese Ausstellung organisieren und auf die Beine stellen können. Die Documenta 13 ist so groß, mit so vielen Künstlern, und alle wollen ihr eigenes Ding machen und ihr Bestes geben. Das ist die wahre Herausforderung.

Ohne schon allzuviel zu verraten, woran arbeiten Sie zur Zeit konkret?

Gerade arbeite ich an einer Übersicht zu unseren Projekten in der Karlsaue. Wir arbeiten mit einer fortgeschrittenen Project Management Software. Ich überführe dabei die Planungen der technischen Leitung mit jener der Architekten, der Registrarin und des Medienteams in eine große Gesamtplanung. Diese Gesamtplanung ist für alle zugänglich, auch für andere Abteilungen. Damit wissen alle, was wann wo passiert. Die Gesamtplanung ist wirklich mega; wenn man sie drucken will, braucht man fünf Meter Papier!

Was sind die typischen Probleme bei der Realisierung von Projekten?

In erster Linie müssen meine Kollegen und ich darauf achten, dass die Zeitpläne eingehalten werden und dass die Budgets im Rahmen bleiben, Kommunikationsabläufe funktionieren. Es bedarf sehr viel Abstimmung. Jeder Künstler plant ja erstmal für sich selbst. Wir müssen aber immer das ganze Projekt im Auge behalten. Das fängt bei so einfachen Fragen an wie »Wer hat eigentlich den Schlüssel für einen bestimmten Ausstellungsort?«, »Wann können die Architekten mit ihrer Arbeit beginnen?« oder »Wann kann der Künstler mit der Installation seiner Werke anfangen?«. Wenn ein Künstler zum Beispiel aus China hier ankommt, muss alles andere schon vorbereitet sein. Das erfordert viel Planung und Organisation. Wir können ja nicht erst irgendwann im Mai anfangen, alle Kunstwerke innerhalb einer bestimmten Woche zu installieren. Alles muss bereits zuvor durchgeplant sein. So vieles muss dabei beachtet werden. Dürfen wir eine bestimmte Wand entfernen? Auf welchem Wege kommt die Arbeit hier nach Kassel? Wie organisieren wir die Besucherführung? Wie planen wir die Eingänge und das Licht im Ausstellungsraum, und wo soll am Ende eigentlich das Schild mit dem Titel der Arbeit hängen?

Das erfordert natürlich viele Entscheidungen und Problemlösungen, die neu entwickelt werden müssen?

Ja. Ich wirke da mehr im Hintergrund, im Controlling und in der Planung des ganzen Prozesses. Wir sorgen dafür, dass für alle Aufgaben genügend »Manpower« zur Verfügung steht.

In Ihrem Job geht es also auch ganz stark um Kommunikation?

Ja, es geht darum, eine kommunikative Infrastruktur ans Laufen zu kriegen, die viele sehr unterschiedliche Teilnehmer miteinander verzahnt.

Haben Sie auch viel mit Behörden zu tun? Beispielsweise, um Genehmigungen zu erhalten?

Ja, das mache ich zwar nicht direkt, aber wir planen diese Dinge natürlich bei uns im Team. Die großen Ausstellungsstätten haben ihre eigenen Verantwortlichen. Auch mit denen arbeiten wir Hand in Hand, um die erforderlichen Genehmigungen zu erhalten. Beispielsweise arbeiten wir eng mit der Feuerwehr zusammen, um ganz sicher zu gehen, dass hier niemand zu Schaden kommt.

Und die Stadt erweist sich als kooperativ?

Soweit ich weiß, ja. Aber ich wundere mich über andere Dinge. Zum Beispiel brauchen wir ein großes Depot für all die Transportkisten, in denen die Kunstwerke hier ankommen. Da fragt man sich natürlich, warum es nicht einen festen Ort dafür gibt, der dann alle fünf Jahre wieder benutzt werden kann. Aber das wäre wohl zu teuer. Die Documenta hat Prozesscharakter. So muss man eben alle fünf Jahre ganz von vorne anfangen.

Gibt es in Ihrem Team viele Kollegen mit technischen Berufen?

Mit technischem Hintergrund, ja. Viele sind aber auch selbst Künstler oder haben irgendwann mal Kunst studiert. Ein Kollege hat aber auch Kulturwissenschaft studiert. Es ist also bunt zusammengewürfelt. Ganz unterschiedliche Biografien. Aber die Stimmung bei uns ist richtig gut. Wir sind wirklich ein nettes Team. Sehr zwanglos. Es ist ein bisschen verrückt: Eigentlich waren wir alle vorher in Berlin. Hier haben wir jetzt Wohnungen, die alle im selben Gebäude sind. Also gehen wir jeden Morgen alle gemeinsam zur Arbeit. Und jeden Abend, in der Regel sehr spät, gehen wir gemeinsam wieder nach Hause. Ich bin dann manchmal diejenige, die für alle kocht.

Das hört sich ja nach einer sehr harmonischen Arbeitsatmosphäre an.

Ja. Wir stecken da auch alle sehr viel Energie rein. Das ist wirklich ein ganz besonderer Arbeitsplatz hier. Es ist ja meine erste richtige Stelle, und ich bin total froh, dass ich in so ein tolles Team reingekommen bin. Mit netten Leuten, die an ihren Kollegen interessiert sind und sich gegenseitig unterstützen, wo es nur geht. Hier sind so viele Leute involviert, dass es kaum möglich ist, alle Kollegen aus den anderen Teams kennenzulernen. Dabei hat jede Abteilung eine ganz eigene Atmosphäre. Das zu beobachten, ist sehr interessant. Zurzeit arbeiten wir in einer alten Turnhalle. Das ist ein riesiger Raum. Sie haben Trennwände aufgestellt, um dem Ganzen Struktur zu verleihen. Aber trotzdem herrscht eine ganz große Offenheit.

Vielleicht noch ein paar Sätze zu Kassel. Haben Sie hier schon Lieblingsorte entdeckt? Wie verbringen Sie Ihre Freizeit?

Viel Zeit zum Ausgehen habe ich nicht. Aber ich war schon mit einem Kollegen in der Lolita Bar. Das ist ein netter Ort. Und einer, wo man immer noch hingeht. Das soll ja schon vor fünf Jahren so gewesen sein. Ich kenne den Supermarkt, wo ich fürs Kochen einkaufe. Aber das war's dann auch schon fast. Heute Abend werde ich mal in die Sauna gehen, einfach um zu entspannen. Die Arbeitstage hier sind wirklich lang.

Die Stadt selbst spielt also keine sehr große Rolle?

Eigentlich schon, wir müssen uns ja um die Ausstellungsorte kümmern. Aber für alles andere blieb bisher keine Zeit. Aber ich plane jetzt, einfach mal ein Wochenende hier zu verbringen und mir Kassel anzuschauen. Ich war nie zuvor in der Stadt und leider auch nicht auf der Documenta. Da bin ich natürlich sehr neugierig, was Kassel für eine Stadt ist.

Planen Sie schon für die Zeit nach der Documenta?

Ich würde mich gerne weiterhin mit zeitgenössischer Kunst beschäftigen, Veranstaltungen und Events planen. Es macht mir Spaß, Teil eines so großen Projektes zu sein, Dinge möglich zu machen. Die kuratorische Verantwortung möchte ich aber nicht haben. Ich fühle mich da als Mitarbeiterin am Rande viel wohler. Andererseits bitten mich immer mehr befreundete Künstler, über ihre Arbeit zu schreiben. Das würde mich auch sehr interessieren. Vielleicht wäre auch das eine Herausforderung. Außerdem publiziere ich ein Buch in den Niederlanden, zusammen mit meiner Mutter, die Künstlerin ist.

22.05.2012
Veröffentlicht am: 22.05.2012