YOKO ONO – MUSIC OF THE MIND

»Für mich gibt es nur einen einzigen Klang, nämlich den Klang des Geistes. Meine Werke dienen allein dazu, in den Menschen die Musik des Geistes hervorzurufen … In der Geisteswelt breiten sich Dinge aus und transzendieren die Zeit. Es gibt einen Wind, der nie erstirbt.«*

Yoko Onos progressives Werk und ihr politischer Aktivismus haben die Kultur nachhaltig beeinflusst. 1933 in Tokio geboren, ist sie eine Pionierin der frühen konzeptuellen und partizipativen Kunst, des Films und der Performance, eine gefeierte Musikerin und Aktivistin für den Weltfrieden. Nun eröffnet in der Tate Modern in London eine Ausstellung, die sieben Jahrzehnte ihrer innovativen künstlerischen Praxis von Mitte der 1950er-Jahre bis heute beleuchtet. MUSIC OF THE MIND ist in enger Zusammenarbeit mit Onos Studio konzipiert worden und wird ab dem 28. September auch in der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf zu sehen sein. Gezeigt werden mehr als 200 Werke, darunter Anleitungen und Partituren, Installationen, Filme, Musik und Fotografien.

Ono wurde ab Mitte der 1950er-Jahre Teil der avantgardistischen Musik- und Performance- Szene in New York, die man später mit Fluxus verband. Diese Künstler*innen waren am Prozess der Ausführung von Events interessiert, nicht an der Herstellung einzelner Kunstobjekte, und Ono zählte zu den ersten, die eine instruktionsbasierte Methode des Kunstschaffens nutzte. Solche Arbeiten verwischten die Grenze zwischen Künstler*in und Betrachter*in, indem sie letztere aufforderten, bestimmte Handlungen auszuführen und somit einen Teil der Arbeit zu leisten, der üblicherweise den Künstler*innen vorbehalten war. Ihre zwei bedeutendsten Vorstöße auf diesem Gebiet waren 1964 ihre Performance Cut Piece und ihr Künster*innenbuch Grapefruit, in dem sie ihre zwischen 1953 und 1964 geschriebenen Instruktionen zusammenfasst. Das zuerst 1964 Japan veröffentlichte Buch und 1970, grundlegend überarbeitete, bei etablierten Verlagen in den USA und England erschienene Buch begründete ihren Ruf als Visionärin auf dem neuen Gebiet der Konzeptkunst, deren wichtigstes Material die Vorstellungskraft war.

Yoko Ono, Cut Piece 1964 Performed by Yoko Ono in “New Works by Yoko Ono”, Carnegie Recital Hall, NYC , March 21 1965. Photo by Minoru

Die Ausstellung spürt genau diesem radikalen Umgang mit Sprache, Kunst und Partizipation nach sowie Onos Glauben an die Kraft des Geistes, durch den Akt der Visualisierung positives Handeln zu bewirken und eine friedliche Welt zu schaffen. Ihr Titel ist ihrer Konzert- und Veranstaltungsreihe Music of the Mind entlehnt, die 1966/67 in London und Liverpool stattfand. Er bezieht sich auf ihre Idee der lautlosen Musik, nach der ihre Anleitungen, gleichfalls Konzerte, in der Vorstellung der Zuhörer*innen Klänge hervorrufen sollen. 

Instruktion, Performance, Film, Musik oder »Event« sind dabei verschiedene Ausdrucksformen ein und derselben Idee: Unser Denken wird von einer alltäglichen Geste auf Vorstellungen von Vergänglichkeit, des Immateriellen und Flüchtigen gelenkt. Wir sind aufgefordert, einen kurzen Sinnesakt zu durchdenken, imaginär oder real auszuführen und so unser Bewusstsein auf uns selbst und unsere Umgebung zu richten. 
In einem Vortrag von 1966, in dem Ono ihren künstlerischen Ansatz umreißt, erklärt sie, es habe bei ihren frühen Events kein »Skript« gegeben, sondern vielmehr »etwas, das es in Bewegung setzt – die beste Bezeichnung dafür wäre wohl ›Wunsch‹ oder ›Hoffnung‹ – und das sich in den Händen, Gedanken und Äußerungen anderer Menschen verwandelt.« Verwandlung ist ein zentraler Aspekt von Onos Schaffen: Ihre Instruktionen oder Partituren sind gewissermaßen »Samen«, die im Geist oder durch Handeln zur Entfaltung gebracht werden.

Yoko Ono Music of the Mind | Hatje Cantz

Diesen »Samen« säten Yoko Ono und John Lennon, die sich 1966 bei ihrer Ausstellung in der Indica Gallery in London kennengelernt hatten, auch im Wortsinn. Im Mai 1968 pflanzten sie jeweils eine Eichel in die Ruinen der Kathedrale von Coventry, die 1940 während der deutschen Angriffe bombardiert worden war und als einen Ort der Versöhnung nach der Gewalt und der Zerstörung des Zweiten Weltkriegs diente – eine nach Osten, die andere nach Westen ausgerichtet. Das Anliegen des Acorn Events war es, Friedenssamen zu säen – als Symbol der Möglichkeit, dass sich Unterschiedliches vereinen lässt, dass Ost und West zusammenfinden können. Ein Jahr später schickten sie Acorns for Peace an 96 Staats- und Regierungschefs der Welt mit der Bitte, ihre eigenen Eichen für den Frieden zu pflanzen.

Yoko Ono. Music of the Mind | Hatje Cantz

Der umfassende, die Ausstellung begleitende Katalog zeichnet die Entwicklung einer Persönlichkeit nach, die mit ihrem visionären Geist Grenzen überschritten und Konventionen infrage gestellt hat. MUSIC OF THE MIND erkundet Yoko Onos Welt, stellt Schlüsselmomente in ihrer Karriere vor und offenbart den tiefgreifenden Einfluss ihrer Kunst auf das kollektive Bewusstsein unserer Zeit.

Yoko Ono. Music of the Mind | Hatje Cantz

 

* Yoko Ono in ihrem Essay To the Wesleyan People

Bildcredits: Yoko Ono with Glass Hammer 1967 from HALF-A-WIND SHOW, Lisson Gallery, London, 1967. Photograph Clay Perry © Yoko Ono

Yoko Ono, Cut Piece 1964 Performed by Yoko Ono in “New Works by Yoko Ono”, Carnegie Recital Hall, NYC , March 21 1965. Photo by Minoru

Veröffentlicht am: 13.02.2024