BIENNALE VENEDIG

Für die einen ist sie ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert, veraltet und unzeitgemäß. Für die anderen ist sie ein aktueller Gradmesser in künstlerischen Fragen, immer wieder aufs Neue spannend und innovativ.

Seit ihrer Gründung im Jahr 1895 ist die Biennale di Venezia von Kritikern oft totgesagt worden. Das Publikum aber hat sich darum nicht gekümmert. Wenn die älteste Kunstausstellung der Welt alle zwei Jahre ihre Pforten öffnet, dann pilgern Kunstfreunde aus aller Welt in die Gärten am Canale Grande.

Dabei wirkt die Struktur dieser Großausstellung durchaus antiquiert. Denn ihr Konzept hat sich in den vergangenen hundert Jahren kaum geändert. Beeinflusst vom Geist der großen Weltausstellungen entstand gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Idee, man könne über die aktuellen Kunsttendenzen aller Nationen am besten dann einen Überblick gewinnen, wenn man sie in einzelnen Länderpavillons präsentiere, für die jeweils ein eigener Länderkommissar zuständig sein solle. Bis heute hat man diese Organisationsform beibehalten: jedes Land ein Pavillon. Nationale Eigenheiten aber spielen in Zeiten der Globalisierung und Internationalisierung des Kunstmarkts keine große Rolle mehr. Das hat man auch in Venedig erkannt und zeigt daher neben den nationalen Präsentationen eine umfangreiche, oft thematisch ausgerichtete, länderübergreifende Sonderausstellung, die allgemeine Entwicklungen vorstellt.

Es liegt in diesem Grundkonzept begründet, dass die Qualität der Biennale von Mal zu Mal sehr unterschiedlich sein kann. Sie hängt von den Vorstellungen der Länderkommissare ab. Verpflichtend ist allen nur der Zeit- und Ortsrahmen. Davon abgesehen, kann jedes Land zeigen, wen und was es will. Über viele Jahre hinweg war gerade dies die große Chance der Biennale. In Venedig konnte man Kunst aus dem Ostblock sehen, als der Eiserne Vorhang die Länder politisch noch entzweite; es waren Künstler aus Asien und Afrika vertreten, lang bevor die großen Museen und Galerien sich dafür zu interessieren begannen. Bereits im Gründungsjahr der Biennale waren 15 Länder vertreten, neun davon hatten bereits eigene Pavillons.

Deutschland war von Anfang an dabei – nur 1920 und 1932 pausierten die Deutschen. Selbst während des Zweiten Weltkriegs nutzte die Politik das Forum in Venedig für Propagandazwecke. Von 1982 an war auch die DDR vertreten. Der Pavillon, in dem auch in diesem Jahr wieder der deutsche Beitrag zu sehen sein wird, ist 1909 auf Initiative der Münchner Sezession nach Plänen des Architekten Daniele Donghi erbaut worden. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde er umgebaut und den damaligen ästhetischen Vorstellungen angepasst. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs sind fast alle renommierten deutschen Künstler*innen einmal in diesem Pavillon ausgestellt worden, unter anderem Heinz Mack, Gerhard Richter, Dieter Krieg, Georg Baselitz, Anselm Kiefer, Hanne Darboven, Sigmar Polke, Bernd und Hilla Becher, Hans Haacke, Katharina Fritsch, Gerhard Merz, Rosemarie Trockel.

Joseph Beuys' Installation Straßenbahnhaltestelle sorgte 1976 in Venedig für viel Diskussionsstoff. 2001 bildete seine Skulptur Ende des zwanzigsten Jahrhunderts den Ausgangspunkt für die zentrale Schau Plateau der Menschheit. In diesem Teil der Biennale, so sagten der Biennale-Präsident Paolo Baratta und der Ausstellungsleiter Harald Szeemann im Vorfeld, gehe es um die ethnischen, politischen und religiösen Konflikte im Zeitalter der Globalisierung.

Die Auswahl für den deutschen Pavillon hatte für 2001 Udo Kittelmann, der neue Direktor des Museums für Moderne Kunst Frankfurt, vorgenommen. Er präsentierte den 1969 in Mönchengladbach-Rheydt geborenen Künstler Gregor Schneider, der mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde. Im Zentrum von Schneiders Arbeit steht die konzeptuelle Auseinandersetzung mit Architektur und Raum, den er zu geheimnisvollen Labyrinthen umbaut. Für ein paar Wochen bekam der deutsche Pavillon wieder einmal ein anderes Gesicht, und die Biennale behauptete sich auch zu Beginn des neuen Jahrtausends als Forum für die Kunst der Welt.

veröffentlicht am 27.8.2002 – Petra von Olschowski

Bild: »Deutscher Biennale-Pavillion in Venedig«, Foto nach 1995, Detail Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Bonn
Veröffentlicht am: 04.02.2010