PETER BIALOBRZESKI

Peter Bialobrzeski
Peter Bialobrzeski (*1961 in Wolfsburg) lebt und arbeitet in Hamburg. 1988–1993 Studium des Kommunikationsdesigns (Schwerpunkt Fotografie) an der Folkwangschule Essen und am London College of Printing. Seit 2002 Professor für Fotografie an der Hochschule für Künste in Bremen. 2003 World Press Photo Award. 2004 Deutscher Fotobuchpreis, PDN Book Award und Auszeichnung als »Schönstes deutsches Buch« für Neontigers. 2010 World Press Photo Award in der Kategorie »Natur«.

 

Fotografie als kulturelle Praxis

»Für mich ist ganz wichtig, dass ein Bild den Betrachter verzaubern kann. Aber dann muss es Fragen aufwerfen, eine zweite Ebene besitzen. So kommen Journalismus und Kunst zusammen.« ⸺  Peter Bialobrzeski
»Bialobrzeski arbeitet der Schnelligkeit entgegen. Seine menschenleeren Fotos zeigen uns exakt jenen Zustand einer urbanen Gegenwart zwischen Ruine und Neudefinition, zwischen Nichtvorherbestimmtsein und Baustelle.« ⸺ Michael Glasmeier

»Blende 11 […] zwischen zwei und zehn Minuten belichten. Und dann sich auf die Erfahrung verlassen, dass es vielleicht funktioniert«, so skizziert Peter Bialobrzeski in einem Interview die – mittels analoger Plattenkamera – technische Realisierung seiner magischen Dschungel-Bilder, die er in asiatischen Metropolen an der Grenze zwischen Tag und Nacht oder bei Dunkelheit eingefangen hat: Natur inmitten oder am Rand städtischer Steinwüsten, die durch Natriumdampflampen, Autoscheinwerfer und hell strahlende Wolkenkratzer in ein künstliches Zwielicht getaucht ist. Das urbane Grün leuchtet ebenso traumhaft und surreal wie die funkelnden Panoramen asiatischer Megacitys, die Bialobrzeski berühmt gemacht haben. In seinem preisgekrönten Buch Neontigers (2004) verschmelzen die verschiedenen Metropolen der sogenannten Tigerstaaten zu einer Riesenstadt, die die Kulisse für einen Science-Fiction-Film bilden könnte.

Peter Bialobrzeskis Faszination für Asien geht bis 1986/87 zurück, als er den Kontinent erstmals intensiv bereiste. Nachdem er eine Zeit lang für renommierte Zeitschriften wie Stern, Spiegel, Telegraph Magazine, ZEIT Magazin und GEO gearbeitet hatte, hat er dem Fernen Osten seit Ende der 1990er-Jahre mehrere freie, international beachtete Projekte gewidmet, die in Buchform publiziert wurden. 2000 erschien XXX-Holy – Journeys into the Spiritual Heart of India, dem nach Neontigers mit Lost in Transition (2007) und Paradise Now (2009) weitere Bände vor allem zu asiatischen Städten folgten.

Bialobrzeski erkundet überwiegend urbane Räume und Strukturen. Doch er versteht sich nicht als reiner Dokumentarfotograf. Vielmehr geht es ihm auch darum, seiner »Faszination Ausdruck zu verleihen, zu erzählen, […] Dinge schön zu finden«. Obwohl seine Stadtansichten beängstigendes Wachstum und rasanten Wandel ins Bild setzen sowie Fragen zu Umwelt, Energie und Globalisierung aufwerfen, sehen wir Aufnahmen vor uns, deren Glitzern und Leuchten auf den ersten Blick alle Probleme überstrahlt. Zwischen diesen Polen – zwischen kritischem Dokumentarismus und ästhetischer Schönheit – bewegt sich auch der Band Heimat (2005), obwohl er zunächst wie ein Kontrapunkt zum bisherigen Œuvre erscheint. Als Hommage an zeitgenössische Fotografen und in Anlehnung an die romantischen Gemälde Caspar David Friedrichs hat Bialobrzeski bezaubernde Landschaftsaufnahmen zwischen Ostsee und Alpen gemacht und entwirft so eine ganz persönliche Bild- und Kulturgeschichte von Deutschland.

In seinen jüngsten Projekten Case Study Homes (2009) und Informal Arrangements (2010) setzt sich der Fotograf mit Slumsiedlungen in Manila und in Kliptown bei Johannesburg auseinander. Seine Bilder zeugen von dem Bestreben der dort lebenden Menschen, sich auch mit dürftigen Mitteln ein wohnliches Zuhause zu schaffen. 

veröffentlicht am 25.10.2010 – Anja Breloh
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Veröffentlicht am: 25.10.2010