JACQUELINE HASSINK

Jacqueline Hassink
Die Konzeptkünstlerin Jacqueline Hassink (*1966 in Enschede) studierte Bildhauerei in Den Haag und Trondheim. Seit 1997 lebt sie in New York und beschäftigt sich in Fotoserien und Filmen mit dem Einfluss der Wirtschaft auf gesellschaftliche Lebensweisen und daraus resultierende Rituale. Daneben lehrt sie als Gastdozentin an der Harvard University, der südafrikanischen University of Wits oder der École d'arts appliqués in Vevey. Ihre Projekte veröffentlicht sie meist auch als Bildbände. Ihre Arbeiten werden international gesammelt und ausgestellt.

Die Topografie der wirtschaftlichen Macht

»What in the end really fascinated and intrigued me was how each of these individuals creates their own living and work space. What objects they collect around them and what colours they prefer. In a global perspective it is really interesting to see how powerful men and women in countries like Japan, Saudi Arabia, the USA or Switzerland deal with power and how they visualize their position of wealth through objects and spaces.« ⸺ Jacqueline Hassink

Wie sehen die Zentren wirtschaftlicher Macht im postindustriellen Zeitalter aus? Wie präsentieren Frauen die Corporate Identity der großen Autohersteller? Was sagen die Ankleideräume über die großen Modedesigner aus und wie beeinflussen sie deren Kundinnen?

Fragen wie diesen geht die Konzeptkünstlerin Jacqueline Hassink nach. Bereits ihr erstes Projekt ist ein Schlüsselwerk für ihr Schaffen: In den 1990er-Jahren fotografierte sie die Konferenzräume des Firmenvorstands der damals 40 größten multinationalen Unternehmen Europas, vor zwei Jahren, nach der Finanzkrise, griff sie das Thema erneut auf. Im Grunde gibt es auf diesen Bildern nicht viel mehr zu sehen als einen menschenleeren Raum, einen großen Tisch und Stühle. Bringt man diese Szenen jedoch mit den Namen der größten europäischen Konzerne in Verbindung, wie etwa Shell, Allianz, Siemens oder ThyssenKrupp, schaut man gleich nochmals genauer hin. Denn in diesen Konferenzräumen treffen sich die CEOs und CFOs, die Global Player und Konzernlenker. Und sie treffen Entscheidungen, die Hunderttausende Arbeitnehmer beeinflussen. Hier werden Preise für Benzin und Diesel besprochen, hier entscheidet sich, welche Staatsanleihen kaufwürdig sind und welche nicht. Deshalb sind dies nicht nur Räume mit Tischen und Stühlen, es sind Symbole für Einfluss, für Verantwortung und Kontrolle, für Reichtum und Besitz – kurz: für Macht. 

The Tables of Power und TheTables of Power 2 nennt Hassink ihre Langzeitstudie, gewissermaßen ein Doppel-Projekt, das die Künstlerin folgendermaßen kommentiert: »Jeder Raum hat seine eigene Identität, jedes Detail lässt Rückschlüsse auf die Eigenwahrnehmung der Unternehmen zu. Das ist faszinierend.«

In einer ganzen Anzahl von Ausstellungsprojekten und aufwendig gestalteten Bildbänden erkundet Hassink weitere Aspekte der Welt der Wirtschaft und des Konsums. Sie blickt mit der Kamera in die Besprechungszimmer von Banken (Banks,1995–96) und fotografiert die Bildschirmschoner von Führungskräften und die Kaffeetassen von Büroangestellten (Mindscapes, 1998–2003). Sie betrachtet die Ankleideräume führender Modelabels (Haute Couture Fitting Rooms, Paris, 2003–2010) und die Schuhkollektionen von wohl situierten Damen, die einem neuen Blahnik-Modell selten widerstehen können (The Shoe Project, 1999–2001). Sie untersucht Zentren weiblicher Macht (Female Power Stations: Queen Bees,1996–2000, Arab Domains, 2005–2006) und stellt weltweite Vergleiche zu sogenannten Car Girls an, die zeigen, dass diese Frauen bei Automessen die immergleichen Produkte so präsentieren, dass die Schönheitsideale und Vorstellungen von Weiblichkeit ihrer eigenen nationalen Kultur reflektiert werden (Car Girls, 2002–2008).

Mit ihrer Kamera verschafft Hassink dem Betrachter Zutritt zu Bereichen, die üblicherweise streng kontrolliert sind und Außenstehenden versperrt bleiben. Sie untersucht die Grenzen zwischen Öffentlichem und Privatem und fängt die Psychologie der Räume ein. Ihre Bilder sind von wissenschaftlicher Distanziertheit und Strenge und werden durch Fakten, Notizen und Skizzen ergänzt. Die forschende Fotografin vermisst und kartiert Orte, Räume und Objekte der globalen Ökonomien und verzahnten Weltmärkte, so dass eine Topografie der wirtschaftlichen Macht in künstlerischer Ästhetik sichtbar wird.

veröffentlicht am 7.3.2012 – Monika Wolz
Veröffentlicht am: 07.03.2012