ALEXANDER RODIN

Der weißrussische Künstler Alexander Rodin (*1947 in Baranavichy) lebt seit 1950 in Minsk, besuchte dort 1960 – 1965 die Kunstschule Nr. 1 und studierte 1965 – 1971 an der Belarussischen Kunstakademie. Seither Ausstellungen in Belarus, Russland, den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Spanien, Italien, Polen und Deutschland. Seit 2001 jährliche Aufenthalte in Berlin.

 

Jenseits von Tabus und konventionellen Normen

»Die Fesseln der unbewussten Instinkte sprengend, das Fassbare in den Tiefen der irrationalen und unendlichen Welt der Formen und Unformen auflösend, auf bemalter Leinwand versuche ich, durch die plastische Bewegung der Rhythmen und Farbstrukturen den Makro- und Mikrokosmos des mentalen, physischen und astralen Seins festzuhalten und zu verknüpfen.« ⸺ Alexander Rodin

Alexander Rodins Bilder verlangen vom Betrachter viel Geduld und Fantasie. Seine großformatigen Ölgemälde – manche sind sechs Meter breit und zwei Meter hoch, wenn auch über mehrere Leinwände verteilt – bedeckt er mit zahllosen, akribisch gemalten Facetten und unzähligen versteckten Details, die sich zu komplexen, oft verstörenden Geschichten mit vielfältigen Interpretationsebenen zusammenfügen. Sie wirken wie Mosaike, in denen der Betrachter oft von oben auf ein beunruhigendes Panorama blickt. Rodins Palette ist auf wenige, oft monochrome Farbwerte begrenzt. Biomorphe und technische, architektonische und geologische Formen stehen sich oft spannungsvoll gegenüber. Rodin sagt über sich selbst: »Als Künstler bin ich ein Medium zwischen Wirklichkeit und Irrealität.«

Alexander Rodins Schaffen begann mit systemkritischer Malerei in der damaligen Sowjetunion. Früh entdeckte er seine Leidenschaft für Experimentelles, doch ausstellen durfte er kaum. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs folgten zwar ambitionierte Schaubilder, doch stellten sich die erhofften künstlerischen Entfaltungsmöglichkeiten nicht ein. Seit 2001 verbringt er deshalb mehrere Monate jährlich in Berlin. Dort schafft er kultur- und zivilisationskritische Werke an der Schnittstelle zwischen Ost und West. 

Obwohl er sich auch mit Performances und Videokunst beschäftig, liegt sein Schwerpunkt auf der traditionellen Malerei. Dabei kümmert er sich nicht um ideologische Tabus und konventionelle Normen. Völlig unzeitgemäß in einer Phase, in der das handwerkliche Können dem Konzept untergeordnet wird, ist die technische Präzision, mit der er buchstäblich jeden Quadratzentimeter seiner monumentalen Leinwände aufwändig ausgestaltet. Er lehnt sich dabei an den Pointilismus an. Seine Bilder sind anekdotisch und gleichzeitig abstrahierend. Er verknüpft Reminiszenzen der Vergangenheit mit Zukunftsvisionen und verbindet die klassische Kunst mit den Errungenschaften der Avantgarde. 

Metaphern für Bewegung, nicht nur zeitliche, sind in fast allen seiner Werke zu finden – Segelboote, Flugzeuge, Raketen, Wasser, ebenso Motive des Sehens und des Beobachtetwerdens. Viele Einzelelemente gehören in unterschiedliche Epochen der Zivilisation und zu verschiedenen Kulturen. So streut er etwa kleine Löwen oder Sphinxe wie zufällig über seine Bilder. Sie stehen für ein verblasstes Wissen über Welten und Kulturen, die es einmal gab oder gegeben haben könnte. Es verschmelzen unterschiedliche Stile und Bildsprachen: altdeutsche Tafelmalerei, barocke Allegorien, surreale Traumlandschaften, das Pathos russischer Revolutionsmalerei und die Ästhetik des Science-Fiction-Genres. Rodins Bilder erinnern an kafkaeske Welten aus unverständlichen Symbolen und Zeichen, in denen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft zu einem beklemmenden Universum mit apokalyptischen Zügen zusammenfließen.

veröffentlicht am 28.11.2011 – Anja Breloh
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Veröffentlicht am: 28.11.2011