INTERVIEW MIT NORA GOMRINGER

Kann man die Faszination von Musik auch in Text und Bild ausdrücken? Dieser Frage gehen die Lyrikerin Nora Gomringer und der Dokumentarfotograf Andreas Herzau in einer neuartigen Versuchsanordnung nach, die in den Kosmos der Bamberger Symphoniker eintaucht. Wir sprechen mit Nora Gomringer über diesen ganz besonderen Jubiläumsband zum 70-jährigen Bestehen eines der zehn besten Orchester der Welt.

Liebe Frau Gomringer, wie kam es zu dem Projekt bamberg symphony?

Zunächst war's eine Einladung, dann eine sich konkretisierende Aufgabenstellung: Finde das Quentchen mehr über unser Orchester heraus, liebe Dichterin. So schien es mir zumindest. Und ich habe die Einladung sehr gerne angenommen.

Wann und wie stieß der Fotograf Herr Herzau dazu?

Weil mir rasch klar wurde, dass Worte auf Papier dem Klang fast nie das Wasser reichen können, habe ich mich gefreut, der Intendanz den Star-Fotografen und Fotokünstler Andreas Herzau vorschlagen zu können. Wir hatten 2008 bereits in Novosibirsk für das Goethe Institut zusammen gearbeitet und nach einer weiteren Gelegenheit Ausschau gehalten.

Wie war Ihr Bezug zum Bamberger Symphonie Orchester vor der Zusammenarbeit?

Ich bin eine stille Bewunderin, keine Abonnentin. In meinem Falle würde es zu oft verfallen müssen, weil ich viel reisen muss für Auftritte und Lesungen. Also bin ich immer dann gegangen, wenn die Sterne günstig standen und dann war und ist es mir immer ein Fest!

… und danach?

Ein bisschen mehr versteht man, man beobachtet den Dirigenten, die Musikerinnen und Musiker etwas anders. Aber ich halte sehr respektvoll meinen Abstand. Ich will nicht wissen, woher die Magie kommt. Ich will die Magie erleben.

Sie waren zwei Jahre lang immer wieder mit dem Orchester auf Gastspielen und Tourneen unterwegs. Was hat Sie dabei am meisten beeindruckt?

Die Logistik, die Organisation, der Klang des Orchesters in den Hallen dieser Welt und die Menschenströme. Darin dann immer Einzelne, die einem erzählen, wie wichtig ihnen speziell die Bamberger sind, weil sie eben die erste Platte im Schrank waren, wenn's um Mahler ging. Ein Orchester ist auch ein Erinnerungsspeicher für die Menschen. Ich habe mich auch mit Fans unterhalten, die ganz bewusst mitreisen. Ihrem Orchester hinterher. Das hat mich tief berührt und mir auch meine Wahlheimat Bamberg noch einmal anders gezeigt. Wir haben da ein Weltorchester am Start. Das ist sehr cool.

Haben Sie während der Reise auch Dinge genervt?

Als selbst ausführende Künstlerin sieht man viele Dinge, die man verbessert wünscht hier und da, bei Auftritten, im Backstage etc. Ich fand bei diesen Reisen das Orchester immer erstaunlich entspannt, selbst wenn's ziemlich eng, heiß und unmagisch wurde. Die Musikerinnen und Musiker der Bamberger sind Reisende. Das Reisen liegt in der Natur dieses Orchesters. 

Druckfrisch sagt über Sie: »Nora Gomringer eine Schriftstellerin zu nennen, das wäre zu einfach. Ihre Texte sollte man nicht nur lesen, sondern erleben.« Wie haben Sie es geschafft Musik ohne Ton erlebbar zu machen?

Ob ich's geschafft habe, muss der Leser entscheiden. Ich habe mich recht schüchtern an den Riesen – die Aufgabe und diesen Klangkörper Orchester – gelehnt und habe gelauscht und geschmunzelt und immer wieder mal direkt nachgefragt. Um ein Orchester gibt es sehr viele Formen von Text und sprachlicher Mitteilung. Man lernt ständig dazu, wenn man ein solches Schwarmwesen betrachtet. Musik ohne Ton gibt es nicht, und Text ist auch niemals ohne Ton. Selbst beim Anschlagen der Tasten am PC klingt etwas. So ist Text auch immer Lieferant von Stimmen und Stimmungen – Schwingungen.

Für wen ist das Buch bamberg symphony interessant?

Fans der Bamberger und Schaulustige aller Länder und Ausrichtungen, denn dieser Band bringt mit den satten, erzählenden, poetischen, stillen, mutigen, forschen, suchenden Bildern von Andreas Herzau etwas sehr einmaliges: Er bringt Zeit ins Haus. Er fordert Aufmerksamkeit – wie eine Symphonie- , spricht mit einem. Und dieser Dialog, der wird nach Bamberg oder in die Welt vor die Bühnen des Orchesters locken. So ging's mir ja auch. 

Sie werden mit Herrn Herzau auf der Buchmesse in Leipzig bamberg symphony präsentieren. Was erwartet die Besucher in dieser halben Stunde?

Wir zeigen den kongenialen Buch-Clip von Michael Wende, eine Bilderstrecke, eventuell auch ein paar animierte Seiten. Wir reden über die Sprache der Bilder. Und darüber, dass wir beide, Herzau und ich, mit unseren Künsten wesentlich abhängig sind vom Publikum mit seinen sieben Sinnen – genau wie die Arbeit des Orchesters. Es passiert so viel mit einem, wenn man ein Konzert erlebt. Das wollten wir beschreiben.

veröffentlicht am 17.2.2016
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Veröffentlicht am: 17.02.2016