Fred Herzog wurde im September 1930 in Stuttgart geboren und lebte seit den 1950er Jahren in Vancouver. Er gilt als einer der Pioniere der amerikanischen künstlerischen Farbfotografie. An diesem Montag verstarb Fred Herzog im Alter von 88 Jahren kurz vor seinem 89. Geburtstag.
»Fred Herzog war ein Flaneur mit dem Blick fürs Wesentliche. Seine Arbeit ist untrennbar mit der ‚New-Color-Photography‘ verbunden und hat einen festen Platz im Kanon der Fotografiegeschichte. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie und seinen Freunden«, so Hatje Cantz Verlegerin Nicola von Velsen.
Lange bevor das Genre der Farbfotografie als dokumentarisches oder künstlerisches Stilmittel anerkannt wurde, nutzte Fred Herzog dieses Medium für seine Alltagsbeobachtungen. Kodachrome-Filme, eingeführt 1935, galten bis in die 1960er-Jahre als Amateurprodukt für heimische Dia-Shows. Herzog jedoch widersetzte sich dieser Einschätzung und machte sich die Farbfotografie früh zu Eigen.
Neben der komfortablen Handhabung der Farbfilmentwicklung überzeugte ihn die Möglichkeit, Farben, Texturen und Stimmungen detailgetreu abbilden zu können. Flanieren, Sehen und Entdecken waren seine Leidenschaften. Mit einer Kodak Retina I – und später einer Leica M 3 – fing der deutschstämmige Emigrant in seiner Freizeit das städtische Leben der kanadischen Westküste ein. Die gewöhnlichen Motive seiner Wahlheimat, die es nicht in Zeitungen schafften, zogen seinen fotografischen Blick an: Straßenzüge, Bürgersteige, Schaufenster, Geschäftsauslagen, Werbeplakate, Parkplätze und Hinterhöfe – mal menschenleer oder wie zufällig bevölkert von vorbeiziehenden Passanten.
Eines war bei dieser Herangehensweise besonders wichtig: eine unauffällige Kamera. Die Menschen, so Herzog, dürften nicht wissen, dass sie aufgenommen würden. Nur so entstünden gute Bilder. Herzogs Anliegen war das Erfassen des realen, unverfälschten Lebens: »Ich malte mir aus, wie ich vielleicht fünfzig oder hundert Jahre später den Menschen zeigen müsste, wie die Stadt einmal ausgesehen hat«, so der Fotograf. Was er in seinen Bildern beschreibt ist ein großer Städteroman, der das einzelne Bild als Teil der Narration begreift und dem kulturellen Status Quo eine Bleibe bietet.
Als Künstler sah Herzog sich selbst lange Zeit nicht. Seine Aufnahmen entstanden nach Feierabend in seiner Freizeit. Den Familienunterhalt verdiente der gebürtige Deutsche als Leiter der Foto- und Filmabteilung der University of British Columbia (UBC). Erst Ende der 1960er-Jahre wurden erste Medien auf Herzog aufmerksam. Heute gilt er, mit seinem Konvolut von über 100.000 Farbaufnahmen, als Impulsgeber der »New-Color-Photography« avant la lettre.
12. September 2019