DAS ANALOGE IN DER DIGITALEN WELT – ODER DAS DIGITALE IN DER ANALOGEN WELT?
Es ist das »Kunstpublikum«, um das sich im Herbstprogramm viel – eigentlich alles dreht. Unsere Arbeit richtet sich vor allem an jene Menschen, die gerne schauen, die über das Visuelle, über Bilder in Acryl-, Öl oder Aquarellfarbe, gedruckt oder getanzt, mit einem Pinsel, der Linse oder mit der Stimme geschaffen – dann vielleicht zu sich selbst finden. Zu den eigenen Empfindungen oder Gedanken, vielleicht auch zu völlig neuen Einsichten und Wegen sich aufmachen durch jene Impulse, die sie aus Büchern, Bildern oder dem »Dazwischen« erhalten.
Diese gedruckte Vorschau legt eine Folge von Büchern und Bildern in Ihre Hände und gleichzeitig tragen wir diese Titel über alle digitalen Kanäle, die wir erschließen können und wollen in die Welt. Auch weil heute kaum etwas Analoges ohne digitale Kanäle aufspürbar ist, beschäftigen wir uns immer intensiver mit Metadaten, mit dem Digitalen. An dem Wort »digital« hat mich immer amüsiert, dass es im medizinischen Sinne »mit dem Finger« bedeutet. Im Wort klingt aber nicht nur der physische Finger auf unserer Tastatur oder den aktiven Bildschirmen mit, sondern eben auch das binäre System, das sich mit einem Finger zeigen lässt: 1 oder 0, an oder aus. Auch die sogenannte »digitale Welt« hat also einen recht physischen Aufsatzpunkt. Vielleicht lässt sie sich überhaupt nur »begreifen«, wenn man sich auf dieses beständige Wechselspiel zwischen den jeweiligen Bezugsgrößen der physischen (analogen) und der virtuellen (digitalen) Welt einlassen kann.
Im Verlag wirkt das auf vielen Ebenen in unseren Arbeitsalltag hinein: Da sitzen wir den lieben langen Tag an Rechnern, um gedruckte Bücher zu produzieren. Wir speisen immer mehr Datenbanken, managen immer raffinierter Metadaten, um schließlich hinreißend gestaltete, hervorragend gedruckte, fein gebundene und wohl riechende Bücher an verschiedenen Orten in der Welt in die Hand nehmen zu können. Das alles, um dann auch E-books zu veröffentlichen oder über andere digitale Vermittlungsformate nachzudenken? Dann noch schnell davon posten in den sozialen Medien? Oder endlich die neue Website launchen, mit der wir nun auch in der Gegenwart ankommen und eine responsive Oberfläche haben werden?
Ja, genauso ist es, dabei diskutieren wir nach wie vor von früh bis spät, was da eigentlich los ist in der Welt, in der Kultur, in der Kunst, in den verschiedenen Vermittlungsformaten, die wir kennen. Wie lassen sich nachhaltige – in jedem Sinne des Wortes – Bücher entwickeln und vertreiben, die Sie alle, unser »Kunstpublikum«, unsere »Kulturgesellschaft«, unsere Leserinnen und Betrachter faszinieren, glücklich machen oder, die eben notwendig sind und die sich am besten begreifen lassen, wenn man sie zur Hand nimmt. Ihr Interesse ist unsere größte Motivation.
Mit Dank dafür und zuversichtlichen Grüßen an den Buchhandel, das Kunstpublikum und alle übrigen Büchermenschen,
Nicola von Velsen mit dem Team von Hatje Cantz