ROSEMARIE TROCKEL

Rosemarie Trockel (*1952 in Schwerte) studierte 1974–1978 Malerei an den Kölner Werkschulen bei Professor Werner Schriefers. Erste künstlerische Schritte in unmittelbarer Nachbarschaft der Kölner Künstlergruppe »Mühlheimer Freiheit«. Seit 1998 Professur an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Köln. Ihr Werk wurde mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigt, darunter 2011 mit dem Kaiserring der Stadt Goslar, der international zu den renommierten Preisen für zeitgenössische Kunst zählt.

Mann / Frau, Mensch / Tier, Politik / Kunst

Ihr Beitrag für die documenta X im Jahr 1997 sorgte für internationales Aufsehen: das Haus für Schweine und Menschen, das Rosemarie Trockel gemeinsam mit Carsten Höller realisierte. Eine Hälfte des zweigeteilten Betonbaus in der Kasseler Karlsaue war einem kleinen Rudel Hausschweinen vorbehalten, die andere Hälfte wurde für die Besucher der documenta X geöffnet. Die trennende Glasscheibe zwischen den Hausteilen war einseitig verspiegelt: Die Menschen konnten somit die geradezu luxuriös, mit installierter Dusche gehaltenen Schweine betrachten, die Tiere jedoch die Menschen nicht. »Eine Reality Soap aus einem Hausschweineparadies« (DIE ZEIT), eine Art Gegenutopie zur sonst erschreckenden Lebensrealität von Nutztieren.

Mensch und Tier und ihr ambivalentes Verhältnis spielen bereits in frühen Arbeiten Rosemarie Trockels eine besondere Rolle. Neben zahlreichen Tierfilmen, die seit Ende der 1970er-Jahre entstanden, entwickelte sie weitere »Schutzhäuser« für Tiere – in Zusammenarbeit mit Carsten Höller etwa Augapfel – Haus für Taube, Mensch und Ratte für die Expo 2000 in Hannover – oder goss für ihre Gewohnheitstiere diverse Tierarten in Bronze. »Jedes Tier ist eine Künstlerin«, so lautet eine provokante Anspielung Rosemarie Trockels auf das berühmte Diktum »Jeder Mensch ist ein Künstler« von Joseph Beuys.

In ihrem von Zeichnungen, Collagen und Buchentwürfen über Skulpturen und Keramiken zu Videoarbeiten und Installationen medial überaus weit gespannten Werk avancierten vor allem Trockels Strickbilder zu einer Art Markenzeichen, die ab Mitte der 1980er-Jahre das Klischee der von Frauenhand – mit scheinbar minderwertigen Materialien – geschaffenen Kunst hintersinnig ironisierten. Nach ihren Entwürfen ließ die Künstlerin hierfür Wollstoffe auf Maschinen stricken, oft mit kulturell und politisch besetzten Motiven wie denPlayboy-Hasen oder Hammer und Sichel, und wie Gemälde an der Wand präsentieren. Insbesondere in den 1990er-Jahren entstanden Herdplattenarbeiten, die Trockel, wie ihre Strickbilder, beständig variierte und dabei (männlich geprägte) Kunstgeschichte variantenreich zitierte. 

Über die Strickbilder und Herdplattenarbeiten wurde das gesamte Werk der Konzeptkünstlerin oft als kritischer Kommentar zu tradierten Rollenbildern von Frauen in Gesellschaft und Kunst sowie als Versuch ihrer Dekonstruktion gelesen. Doch geht Trockels Werk, wie beispielsweise ihre Arbeiten mit und über das Tier zeigen, über die feministische Geste hinaus. »Ich habe mich immer auch mit Theorien der Anthropologie, der Soziologie, der Wissenschaftstheorie auseinandergesetzt, mich hat die Geschichte dieser Theorien interessiert, zu beobachten, dass im Laufe von kaum mehr als einem Jahrhundert jede Theorie überholt ist: Das Einzige, was ich tun kann, denk ich mir, ist, dass ich meine Vorstellung von Welt oder Kunst – das ist identisch für mich – mit was immer für kuriosen Dingen versuche zu erarbeiten«, so die Künstlerin in einer ihrer raren Selbstaussagen.

»Ich glaube, dass Kunst für alle Menschen wichtig ist. Natürlich gibt es viele, die nie oder kaum ins Museum gehen. Aber Kunst schafft in der Gesellschaft ein Klima, von dem alle profitieren. Und damit meine ich nicht nur die Künstler, die in ihren Werken politische Ideen aufgreifen. Gute Kunst schafft generell ein Klima der Toleranz und der Verständigung, das für ein Gemeinwesen wichtig ist. Darüber hinaus ist sie von unschätzbarem Wert für die Entwicklung desjenigen, der sich mit ihr befasst. Neben der Musik und Literatur ist sie lebensnotwendig.« ⸺ Rosemarie Trockel

Nach Rosemarie Trockels erster Einzelausstellung 1983 in Bonn und Köln fanden ihre Werke zunächst vor allem in den USA große Beachtung, 1988 stellte sie etwa im Museum of Modern Art in New York, 1991 im Museum of Contemporary Art in Chicago aus. Nach ihrer Teilnahme 1997 bei der documenta X bespielte Trockel 1999 den deutschen Pavillon auf der Biennale Venedig, 2012 ist sie bei der dOCUMENTA (13) vertreten. 2003 widmete ihr das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt, 2005/06 das Museum Ludwig in Köln eine großangelegte Schau – um nur einige Ausstellungsstationen zu nennen, in denen das vielfältige Schaffen der Künstlerin weltweite Anerkennung gefunden hat.

veröffentlicht am 6.6.2012 – Stefanie Gommel