INTERVIEW MIT JAN SCHEFFLER

Es ist die Sehnsucht nach Stille, unberührter, laut sprechender Stille. Inmitten dieser Stille stellt sich Jan Scheffler, und sein Blick berührt: den Himmel, die Erde, das Wasser, das Licht. Im Wissen um diese gefährdete Schönheit entstehen seine Bilder. In 89 Licht erzählt er von jenem Norden, den er seit 20 Jahren fotografisch bereist.

Jetzt haben wir hier ein schlimmes Buch auf dem Tisch. Schlimm, weil man möchte bei den Fotografien in diesem Buch sofort in die Wanderstiefel springen und losziehen in den Norden, nach Island oder Norwegen oder Finnland…Herr Scheffler, Sie fahren für diese Bilder seit 20 Jahren da hoch in den Norden. Sagen Sie uns doch erst mal, was zieht Sie denn da immer wieder hin?

1998 habe ich meine erste Reise nach Island unternommen. Ich bin ein Mensch, der sich in der Landschaft, in der Natur, immer draußen irgendwie aufhält, wenn es irgendwie geht, und ich fotografiere dann. Das war so eine Idee, zu sagen: Okay, dieser Norden, wie fühlt sich das da an? Meine erste Reise führte nach Island, und es war sofort dieses Gefühl da, angekommen zu sein. Das, was man sich so vielleicht erträumt hat oder sich so vorgestellt hat, also diese Sehnsucht, die in einem steckte, bekam dort das erste Mal für mich ein Gesicht in mir.

Und wenn Sie sagen, draußen sein, das heißt für Sie dann auch wirklich draußen sein. Also, Sie übernachten dann im Zelt oder im Auto?

Richtig. Ich kann diese Bilder auch nur machen, wenn ich 24 Stunden draußen bin. Das heißt, ich lebe komplett die Zeit unter freiem Himmel oder auch im Auto, um zu schlafen; aber das ist dann auch kein Wohnmobil oder so, sondern einfach nur ein Pkw.

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Das Licht steckt ja schon im Titel Ihres Buches, 89 Licht. 89, weil es 89 Fotografien sind. Es gibt ein Nachwort dazu, das hat Christiane Stahl geschrieben. Und sie schreibt da, das strahlende Licht des Nordens hinterlässt einen unauslöschlichen Eindruck, es macht süchtig. Können Sie beschreiben, was Sie da süchtig macht bei diesem Licht oder warum das ein besonderes Licht ist?

Dass es ein besonderes Licht ist, lässt sich physikalisch relativ leicht erklären: Also einmal, weil die Sonne einfach wirklich so tiefsteht – durch die Erdkrümmung haben wir dort einfach einen anderen Winkel, sodass die Sonnenstrahlen einfach viel länger durch die Atmosphäre brauchen; und dadurch ganz andere Reflexionen, Lichtbrechungen stattfinden; und dadurch auch diese Vielfalt dieser wunderschönen Farben, teilweise dieses ganz weiche Licht entstehen lässt oder auch diese härteren Lichter. Das ist rein diese physikalische Erklärung. 
Aber mich zieht das natürlich in erster Linie aus rein emotionalen Gründen auch an: Also es ist ein Gefühl, es fühlt sich irgendwie sehr vertraut an. Ich lebe ja nicht das ganze Jahr über in dieser Landschaft, sondern nur in dieser Zeit, aber irgendwie ist es so, als ob ich da immer auch gewesen wäre, also wirklich was Vertrautes, ein Ankommen fühlen, wenn ich das Licht dann sehe.

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Schönheit ist offenbar wichtig für dieses Buch, denn Sie haben sich ein Motto geborgt von einem amerikanischen Fotografen, von Ansel Adams, der hat den Satz geschrieben: »So wie der Fischer von den Flüssen abhängig ist, um leben zu können, so hängt die geistige und emotionale Existenz der Menschheit von der Schönheit der sie umgebenden Welt ab.« Ein toller Satz. Sind Sie mit Ihren Fotografien auf der Suche nach der Schönheit der Welt?

Ich bin aber immer wieder zu dem Punkt gekommen, dass ich die Schönheit zeigen möchte. Das ist ein Wort, was ja so ein bisschen fast abgedroschen klingt, aber ich finde, zu Unrecht. Dann habe ich doch dieses Zitat von Ansel Adams gewählt, weil ich das einfach sehr wichtig und treffend finde, dass unsere geistige und emotionale Existenz von dieser Schönheit abhängig ist und nicht von den Dingen. Und diese Schönheit ist auch gerade sehr gefährdet.

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Ein Interview von Frank Meyer. Das komplette Interview können Sie auf Deutschlandfunk Kultur nachlesen und -hören.

veröffentlicht am 17.2.2019
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Veröffentlicht am: 21.05.2023