INTERVIEW MIT VOLKER STAAB

»Das Problem in Museen sind die Besucher« ⸺ Volker Staab gibt der Kunst ihren Raum: Ein Interview mit dem Berliner Architekten geführt von Björn Rosen und Susanne Kippenberger.

Herr Staab, man sagt, Museen seien die neuen Kathedralen, in die die Menschen sonntags strömen. Wann war Ihr letzter Gottesdienst?

Mit meinen Kindern, neun und 14 Jahre alt, bin ich kürzlich im Museum für Kommunikation an der Leipziger Straße gewesen. Da gibt es Roboter, die ihnen sehr gefallen.

Was zieht die Leute so an?

Das frage ich mich auch immer. Ich beobachte gern die Besucher. Viele gehen sehr schnell durch eine Ausstellung, gucken mal hier kurz und mal da, und dann ...

… steuern sie direkt aufs Café zu.

Genau! Sie haben das Gefühl, man hat etwas Kulturelles absolviert, jetzt darf man einen Kaffee trinken. Der Reiz liegt wahrscheinlich darin, dass sie zweckfrei sind. Die Beschäftigung mit Kunst zielt nicht auf ein Resultat ab. Anders, als wenn man zum Beispiel Sport treibt und eine bestimmte Zeit oder Weite erreichen muss. Im besten Falle wird man dazu verführt, über Dinge zu reflektieren, über die man sonst nicht nachdenkt. Und es ist etwas, das man als Gemeinschaftsereignis in der Gruppe oder allein machen kann.

Auch an der Architektur erkennt man das. Effizienz spielt eine weniger große Rolle als bei anderen Gebäuden. Ausstellungshäuser haben oft große Foyers, sind fast Kunstwerke für sich. Baut Ihr Büro deshalb eins nach dem anderen?

Wir sind eher zwangsspezialisiert, auch wenn wir darüber nicht unglücklich sind. Weil man unsere Museumsbauten kennt, werden wir wieder zu entsprechenden Wettbewerben eingeladen. Es bedeutet natürlich eine gewisse Freiheit, dass man Museen wirtschaftlich nur schwer bewerten kann. Wenn Sie ein Büro oder eine Wohnung bauen, rechnet der Investor genau: So viel Miete bekomme ich, und so viel darf es kosten. Andererseits genieße ich an der Arbeit als Architekt die Möglichkeit, mit jeder neuen Bauaufgabe in andere Welten vorzudringen, wie bei unserem Projekt in Kronberg, bei dem wir ein Musikquartier mit einem kleinen Konzertsaal planen.

Vom Neuen Museum Nürnberg über das Museum Georg Schäfer in Schweinfurt bis zum LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster – bei Ihren Bauten fallen die großen Treppen auf. Dass die Leute emporschreiten sollen, hängt das mit dem Kirchengefühl zusammen?

Ich finde es gut, wenn sich den Leuten selbstverständlich erschließt, wohin es geht, wenn sie in ein öffentliches Gebäude kommen. Waren Sie mal im Architekturmuseum in Frankfurt? Da liegt die Treppe ganz hinten, es handelt sich eher um ein kleines Nottreppenhaus, man findet kaum den Weg. So etwas hat mich immer geärgert!ch erinnere mich sehr deutlich an die Aufregung. An diese Zeit habe ich gute Erinnerungen.

Obwohl die Galerien keine Rendite-Objekte sind, stehen sie doch unter dem Druck, möglichst viele Besucher anzuziehen.

Wir haben diese Entwicklung beobachten können. Als ich vor 25 Jahren den Wettbewerb für das Museum in Nürnberg gewann, sollte die Kunst im Zentrum stehen, alles Kommerzielle war beinahe verwerflich. Damals herrschte die Idee des „white cube“ vor, eines Raumes, in dem Werk und Betrachter sich ohne Ablenkung in ungestörter Zweisamkeit begegnen können. Architekten wurde tendenziell vorgeworfen, sich gegenüber der Kunst in den Vordergrund spielen zu wollen. Das hat sich sehr verändert. Heute sollen wir Öffentlichkeit generieren. Mit der Architektur allein erhalten Sie dann vielleicht zwei, drei Jahre Aufmerksamkeit, sie ist ein Mittel, um eine Institution wahrnehmbar zu machen. Danach brauchen Sie interessante Ausstellungen, um Besucher anzuziehen.

Beim Guggenheim in Bilbao, eröffnet 1997, ist die Architektur bis heute Lockmittel.

Dahinter steht eben Guggenheim mit seinem immensen Public-Relations-Aufwand. Bilbao-Effekt – diesen Ausdruck kann ich nicht mehr hören. Ich war in einer Jury in Regensburg, wo ein Haus für bayerische Geschichte gebaut werden soll. Da fiel auch dieses Wort. Eines der Projekte war ein bisschen spacig geformt, von den Räumen her jedoch vollkommen unbrauchbar. Die Museumsleiter waren begeistert. Es war schwer, den Beteiligten klarzumachen, dass solch ein Ansatz nicht überall funktioniert. Bilbao war eine heruntergekommene Hafenstadt, die das brauchte. Regensburg ist Weltkulturerbe, die Stadt kommt ohne einen Frank Gehry in der Silhouette aus.

Das erste Mal, dass Architektur stark auf Sie gewirkt hat, war im Kölner Dom.

Ich studierte damals in Aachen und kam nach Köln zu Besuch. Der Dom hat mich umgehauen! Solch einen großen Innenraum hatte ich vorher noch in keiner Kirche gesehen. Gerade wenn die Sonne flach steht und zwischen den Pfeilern durchkommt, ist das sehr beeindruckend. Zumal jetzt mit dem farbigen Fenster von Gerhard Richter – das Licht, das da durch den Raum fällt.

Sie haben mal gesagt, die einzige Raumerfahrung, die Ihre Studenten heute mitbringen, sei die des eigenen Kinderzimmers.

Das merke ich zunehmend. Die können auf ihrem Handy alles, aber sind ratlos, wenn man sie fragt: Habt Ihr mal einen schönen Raum gesehen, welcher wäre das denn und von welchem Architekten? Manchmal wundere ich mich, warum so jemand überhaupt Architektur studiert.

Warum wollten Sie Baumeister werden?

Zunächst habe ich ein Semester lang Kunst und Philosophie belegt. Ich gehöre nicht zu denen, die schon im Alter von vier Jahren davon geträumt haben, Architekt zu werden. Mir hat gefallen, dass es so ein offenes Studium ist – Ingenieurswissenschaft, Geisteswissenschaft, theoretische Fächer. Architektur ist ja immer auch Gesellschaftstheorie. Sogar nach dem Studium dachte ich noch, ich würde lieber Richtung Theater gehen. Ich habe eine Aufnahmeprüfung für Regie an der Schauspielschule Zürich gemacht – und bin mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Ich habe mich damals sehr für Bühnenbilder interessiert, besonders die von Robert Wilson fand ich toll. Sie waren vollkommen ästhetisiert, ganz reduziert. Eigentlich ist die räumliche Inszenierung bis heute mein Interesse..

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Das komplette Interview können Sie auf Tagespiegel online nachlesen.

veröffentlicht am 25.8.2017